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Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 143
Ein neues Statut für den Religionsfonds
Die österreichischen Behörden waren
– ohne indes die letztliche Verfügungsgewalt über
die Mittel des Religionsfonds, die nach wie vor in den Händen des obersten Landesher-
ren lag, abgeben zu wollen – von Beginn an daran interessiert, die anstehende wie ein-
geforderte Reform auf einen breiten Konsens innerhalb der Bukowina und ihrer Eliten
zu begründen. So lud der Landespräsident der Bukowina als Vertreter der Wiener Zen-
tralbehörden in Zusammenarbeit mit dem Ackerbauministerium zu einer Enquete ins
Kultusministerium ein, um »über eine sach- und zeitgemäße Reform in der Verwaltung
der Güter des Bucowinaer gr.or. Religionsfondes« zu beraten.103 Der Konnex zu den
zeitgleich laufenden Übernahmeverhandlungen der Manzschen Bergwerke in Jakobeni
(vgl. Kap. 10), die ebenfalls der Religionsfond zu tragen hatte und die wohl mithin zu
dieser Enquete geführt haben, sind dabei kaum zu übersehen. An der Beratung betei-
ligten sich nachstehende Personen : Landespräsident Ritter v. Myrbach (Vorsitz), Eugen
Hackmann (Bischof), Hugo Pramberger (k.k. Oberfinanzrat und Finanzdirektor), Dr.
Albin Hammer (k.k. Oberfinanzrat und Finanzprokurator), Otto Baron Petrino (Gutsei-
gentümer), Jakob Ritter von Petrowicz (Gutseigentümer) sowie der k.k. Regierungskon-
zipist Sparzistin(?) als Schriftführer.104 Der Bukowiner Landespräsident begründete die
notwendig gewordene Reform damit, dass »die Resultate der bisherigen Administration
der Religionsfondgüter […] nicht die befriedigendsten gewesen« seien. Den Grund da-
für ortete der Landeschef »nicht im Verschulden der kk. Finanzdirektion […] sondern
vielmehr im System« an sich.105 Petrowicz, der nach dem vorgelegten Bericht Pramber-
gers sein Staunen über die niedrigen Wirtschaftsresultate kaum verbergen konnte, sah
dafür hauptsächlich drei Ursachen. Einerseits erschien ihm die Besteuerung eines er-
heblichen Teils der Religionsfondsgüter, die im Gebirge gelegen waren, als »überspannt
[…, so] daß viele der besteuerten Objekte nicht einmal so viel Erträgniß abwerfen als
jährlich hievon an Steuern entrichtet werden muß«. Ebenso wäre der Pachtschilling zu
hoch, die Dauer der Pacht zu kurz und das System der Pachtersteigerung nur dazu ge-
eignet, »eine förmliche Raubwirtschaft« an den Gütern zu betreiben. Andererseits wür-
den die Herrschaft Radautz und das Staatsgestüt »zu einem Spottpreis [an den Staat ;
103 DACZ 3/1/3213, Landespräsident der Bukowina an k.k. Oberfinanzrat Hugo Pramberger v.
10.VII.1869 ; sowie DACZ 320/3/2846 Landespräsident Myrbach an Hackmann 28.VII.1869, fol. 5.
104 DACZ 321/1/13, Organisations-Statut für die Administration der Güter des bucowinaer gr.or. Re-
ligionsfondes (hektographierte Vorlage ; fol. 1–2), Innere Einrichtung und Wirkungskreis der zur
Verwaltung der Güter des bucowinaer gr.or. Religionsfondes berufenen Direction (handschriftliches
Manuskript ; fol. 16- 26), Protokoll über die am 9. August 1869 stattgefundene Enquette-Comission
(handschriftliches Manuskript ; fol. 29–38) ; hier fol. 29 (Protokoll).
105 DACZ 321/1/13 Protokoll, Myrbach, fol. 28f.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439