Page - 179 - in Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949 - Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
Image of the Page - 179 -
Text of the Page - 179 -
Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 179
seit Beginn der 1890er Jahre in Czernowitz aktiv war, beizutreten, um ihm ein politisch
gestärktes Mandat zu sichern.243
Wir haben einen Religionsfond, dem ¼ des Landes gehört. Er hat 21000 Faltschen244 Acker-
grund und 20000 Faltschen Wiesen und Weiden. Der Religionsfonds verpachtet jetzt diese
Felder und Wiesen fast ausschließlich an Nichtchristen und wir bearbeiten dieselben um einen
Spottpreis für fremde Leute. Wenn der Religionsfonds diese Felder und Wiesen den Landleu-
ten verpachten würde, dann hätten wir hier wovon zu leben und brauchen nicht unser Land
zu verlassen […] Dieser Fond hat den Gutsherren geholfen […] möge er nun jetzt den ortho-
doxen Bauern helfen.245
Pihuliak brachte, mit Verweis auf die Ergebnisse der letzten Volkszählung 1890 und die
wachsende Anzahl der Ruthenen im Kronland, in seiner Rede bei der erwähnten Ver-
sammlung im Musikverein die Sprache auf religiöse Bedürfnisse der ruthenischen Bau-
ern in der Bukowina. Angesichts der relativen ruthenischen Mehrheit, so der Landtags-
abgeordnete überspitzt, könnte man ebenso von einer »ruthenischen Kirche« sprechen.
Zugleich kritisierte Pihuliak die sprachliche wie religiös-konfessionelle Indifferenz, die
»falschen Angewöhnungen« seiner Landsleute, die sich selbst oftmals als Teil der »wa-
lachischen Confession« sehen würden, obwohl sie Ruthenen seien und eben damit dem
fortdauernden »Verfolgungswerk [des Konsistoriums ; Anm. K.S.] gegen die Ruthenen«
selbst nichts entgegensetzen würden.
Diese unsere romanisatorische Geistlichkeit geht mit unserem ruthenischen Volke um, wie ein
jüdischer Pächter mit fremdem gutem Felde und Wirtschaftsgebäuden. Er trachtet aus dem
selben in möglichst kurzer Zeit den größten Nutzen zu ziehen, es fällt ihm gar nicht ein, die-
ses Feld in gutem Zustande zurückzulassen. Ja unsere romanisatorische Geistlichkeit geht mit
unserem Volke noch schlechter als jener Pächter um […] Ja, die Intoleranz gegen alles was ru-
thenisch ist, hat sich sogar noch mehr verschärft, denn der gegenwärtige Metropolit empfängt
jetzt nicht einmal in Audienz die ruthenischen Priester, was selbst sein Vorgänger nicht wagte.
Daher bleibt uns jetzt nichts andere übrig, als uns noch an den erhabensten Herrn zu wenden ;
wir müssen Abgeordnete zum durchlauchtigsten Kaiser schicken, welche Seiner Majestät diese
Nr. 61, v. 18.IX.1909, 1–11, Die Religionsfondsdomänen ; ergänzend dazu Corbea-Hoişie 2012,
Onciul.
243 Auch Russka Rada, ukr. Руська Рада ; Kappeler 2003, Weg, besonders 70–87 ; Botuschanskij
et al. (Hg.) 1998, Bukowina, 172ff.
244 Flächenmaß, ca. 1,4 ha.
245 Vgl. Anm. 28, fol. 130f.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439