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192 Die Institution: Struktur & Werte
Zwei national beschickte Kurien (jeweils eine für die gr.-orient. Rumänen und Ruthenen
des Kronlandes) sollten die Parität sicherstellen. Die Wahlaufsicht wie deren Durchfüh-
rung wäre laut Onciul von den politischen und nicht den geistlichen Behörden zu tragen
gewesen. Zugleich hätte eine solche Regelung
– ganz im Sinne der von Onciul geführten
Partidul Ţărănesc Democrat [Rumänisch demokratische Bauernpartei] – eine nachhal-
tige Schwächung des Großgrundbesitzes eingeleitet. Wäre damit doch unter anderem
die Aufhebung der zumeist von den Agrareliten der Bukowina ausgeübten Kirchenpat-
ronate und ihrer Privilegien einhergegangen. Insgesamt verlangte Onciul im Vorschlag
für einen künftigen Kirchenkongresses folgende Kompetenzen :
• Vorschlagsrecht für die Besetzung des erzbischöflichen Stuhls, der Weihbischöfe so-
wie der Mitglieder des Konsistoriums ;
• Entscheidung über Beschwerden gegen die Amtsführung des Erzbischofs und sein
Konsistorium ;
• Mitsprache in der kirchlichen Gesetzgebung und
• Kontrolle sowie Verwaltung des gr.-orient. Religionsfonds.297
Aus staatsrechtlicher Sicht bemühte sich das Kultusministerium mehrfach, vertreten
durch seinen Sektionschef Johann v. Spaun (1840–1911)298, in einem ausführlichen
Gutachten eine ganze Reihe der seitens Onciuls eingebrachten Vorschläge zu widerle-
gen, nicht allerdings ohne im Generellen darauf hinzuweisen, dass »manche die Kirche
angehenden Normen den Stempel ihrer Entstehungszeit tragen und daher eine Revision
beziehungsweise Verjüngung auf manchen Gebieten am Platze sein dürfte«.299 Dezidiert
sprach sich der Ministerialbeamte im Gutachten jedoch gegen die Berücksichtigung na-
tionaler Kriterien bei der Besetzung kirchlicher Ämter aus und wies den Vorwurf On-
ciuls zurück, dass der Staat die Entwicklung der Kirche hemmen würde. Im Gegenteil,
so Spaun, die »k.k. Regierung wahrt notorisch mit peinlicher Gewissenhaftigkeit die
Kompetenz der kirchlichen Autorität«.300
Wie die Dinge liegen und wohl noch lange liegen werden, würde die Ernennung eines Vorge-
schlagenen als Mißerfolg und Kränkung jener Nation aufgefaßt werden, deren Kurie ihn nicht
297 Bukowinaer Post Nr. 1717 v. 26.I.1905, 1f.
298 Spaun war Sektionschef im Kultusministerium sowie Mitglied des Reichsgerichtshofes.
299 Spaun 1907, Kirchenfrage, 344 ; auch Österreichische Zeitschrift für Verwaltung Nr. 6 v. 11.II.1909,
21–23, Zur griechisch-orientalischen Kirchenfrage in der Bukowina (Johann v. Spaun) ; Nr. 7 v.
18.II.1909, 25f.; Nr. 8 v. 25.II.1909, 29f.; Nr. 9 v. 4.III.1909, 33–35.
300 Österreichische Zeitschrift für Verwaltung Nr. 9 v. 4.III.1909, 33.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439