Page - 234 - in Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949 - Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
Image of the Page - 234 -
Text of the Page - 234 -
234 Die Institution: Struktur & Werte
Nicht zu überlesen ist im konkreten Fall die zeitweise Affinität der Bukowinaer Post für
die Jungruthenen gegen den (polnischen) Großgrundbesitz sowie den (rumänischen)
Religionsfonds. Beide betrachtete die Redaktion aus diesem Blickwinkel gleichsam als
»Ausbeuter des ruthenischen Volkes«.66 Die Bukowinaer Rundschau äußerte sich dazu
mit klar abweichenden Ansichten.67 Aus dem Gesamtkontext ist unschwer zu ersehen,
dass die Haltung der Rundschau in Bezug auf den Religionsfonds parteiisch gesteuert
oder zumindest politisch eingefärbt war. Deren Auslöser ist wohl im Leerausgehen ein-
flussreicher Großgrundbesitzer der Bukowina (u.a. von Stephanowicz) bei den kurz
davor neu abgeschlossenen Holzabstockungsverträgen des Fonds zu suchen.68 Ein Jahr
später sollte sich ein ähnlich gelagerter Vertragsabschluss mit dem Fonds zu einem
handfesten Czernowitzer Skandal ausweiten.69 Außenstehende unbeteiligte Beobach-
ter kamen indessen zum Schluss, dass die Forstverwaltungen des Fonds insgesamt die
Ortsinteressen durchaus zu fördern verstanden : »Es geht doch vorwärts, wenn auch
langsam.«70 Der im Raum schwebende Vorwurf an das Ackerbauministerium, sich nicht
um dringend nötige Änderungen in der Verwaltung des Religionsfonds zu kümmern,
muss hier relativiert werden. Im Gegenteil, gerade das Ministerium hatte schon früh
beim Konsistorium den unbefriedigenden Zustand der Forste moniert, bzw. eine rasche
Besserung angemahnt. Es gab also hinreichend Anlass für eine grundlegende Ände-
rung in der Verwaltung und in der Art der Bewirtschaftung, wobei Wien außerordent-
lichen Wert auf eine künftighin größere Selbständigkeit in der Entscheidungsbefugnis
der Forstbeamten innerhalb der Güterdirektion legte. Nicht zuletzt deswegen hatte man
zunächst auf die bereits erwähnte, 1912 wieder aufgehobene Trennung von Forst- und
Domänenverwaltung der Direktion gedrängt.71
66 Bukowinaer Post Nr. 745 v. 27.IX.1898, 1, 16 u. 36.
67 Entsprechend anders fällt die Charakterisierung von Stephanowicz aus : »Herr Dr. Stefanowicz wägt
sorgsam seine Worte, und seine Argumente sind stets aus Tatsachen gezogen« ; Bukowinaer Rund-
schau Nr. 2316 v. 22.XII.1896, Es dämmert. In späteren Artikeln polemisiert die Rundschau weiter
gegen den Religionsfond ; vgl. Nr. 3319 v. 13.V.1900, 1f., Die Culturmission der »todten Hand«. Darin
meint die Rundschau über den Fonds, dass die Bevölkerung »gleichsam erdrückt [wird] von der
schweren Masse dieses trägen Kadavers, von den breiten Fettablagerungen dieses gefräßigen Un-
gethüms, welches von Jahr zu Jahr an Ausdehnung zunimmt und das Land durch seine eigenartigen
Lebensfunctionen mit einem Schleier überzieht, welcher der Bevölkerung schier das Athmen be-
nimmt« ; auch Nr. 3272 v. 18.III.1900, 1, Der arme Bauer.
68 Bukowinaer Rundschau Nr. 2694 v. 3.IV.1898, 1f., Deutsch gesprochen.
69 Bukowinaer Rundschau Nr. 3164 v. 5.XI.1899, 1f., Das neueste Pasquil.
70 Böhm 1897, Bukowina, 25.
71 DACZ 320/3/3260 fol. 252f. Ackerbauministerium an Konsistorium, Wien 26.VIII.1886 ; fol. 268f.
Direktion der Güter an Konsistorium Nr. 9029 Note v. 1.IX.1887, allerhöchste Entschließung v.
6.VIII.1887, Ackerbauministerium v. 14.VIII.1887, Zl. 1030.
Open Access © 2020 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439