Page - 235 - in Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949 - Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
Image of the Page - 235 -
Text of the Page - 235 -
Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 235
Obwohl die in der Bukowinaer Rundschau darüber hinaus aufgeworfene Beschuldi-
gung in Richtung Religionsfonds, unter den Bauern neue Leibeigene schaffen zu wollen72,
allein aus der spürbaren Parteilichkeit des Mediums heraus an Glaubwürdigkeit verliert,
so lässt sich doch die grundsätzliche Eigenschaft der Güterverwaltung als Repräsentan-
ten des Großgrundbesitzes nicht völlig in Abrede stellen. Einzelne Gemeindevertretun-
gen beschwerten sich etwa ganz offen, dass es gerade der Religionsfonds sei, der »das Le-
ben über alle Maßen erbittert«.73 Zudem galt der Grundbesitz in der Bukowina insgesamt
als sehr zersplittert ; ein Umstand, der allen anderen voran die Bauern und Kleinpächter
besonders hart traf.74 Auch das waren Themen, welche die Presse und der Bukowiner
Landtag regelmäßig, unter Verweis auf den Fond, bereitwillig aufgriffen.75 Hinter den
Vorwürfen an Ungleichbehandlung lauerte jedoch stets die Gefahr nationaler Aufladung,
waren doch bei der Verpachtung bzw. Zuteilung von Ackergründen des Religionsfonds
im nördlichen Landesteil hauptsächlich Ruthenen betroffen. Bei den dahingehenden
Beschwerden der Czernowitzer Zeitungen übersahen die Redakteure allerdings geflis-
sentlich die eigenen Meldungen im Inneren ihrer Blätter über zahlreiche Investitions-
tätigkeiten des Fonds in den Landesausbau.76 Dennoch, durch die in wachsendem Aus-
72 Bukowinaer Rundschau Nr. 2665 v. 27.II.1898, 1, Das Gespenst des Elends.
73 Die Gemeindevertretung von Suczawitza hatte direkt die Landesregierung adressiert und hoffte da-
mit auf Vermittlung ihrer Anliegen gegenüber der Güterverwaltung des Fonds. Steigende Kosten für
Weidebenutzung und Holzbezug warfen für die Dörfer schwerwiegende Probleme auf. Nicht selten
entschieden sich daher die Bewohner zur Auswanderung : »Wie es Einem hohen k.k. Landespräsi-
dium bereits bekannt sein dürfte, sind am 20. Mai l.J. über 40 Seelen aus unserer allseits verdräng-
ten Gemeinde nach Canada ausgewandert und es fehlt nicht viel bis sämmtliche Insassen dieser
Gemeinde ihr theuerstes Nest, ihr kostbarstes Österreich zu verlassen bemüssigt sein werden, um
ein Ort zu suchen, in welchem das Erwerben einiger Imbisse Brotes leichter wäre« ; DACZ 3/1/8211
Gemeindevertretung Suczawitza an Landespräsidium Bukowina v. 24.V.1901.
74 Die Gesamtwirtschaftsfläche des Kronlandes von 1.044.141 ha verteilte sich bei 230.229 Grund-
steuerträgern auf 1.147.647 Parzellen, davon gehörten wiederum 45% in den Kleinbesitz. Die über
400.000 ha des Großgrundbesitzes teilten sich hauptsächlich der Religionsfonds (26%) und Private
(19%). Czernowitzer Tagblatt Nr. 1913 v. 4.VII.1909, 1–3, Budgetrede des Abg. Dr. Straucher ; dazu
Sandgruber 1978, Agrarstatistik, 146, Tab. 79.
75 Bukowinaer Rundschau Nr. 3279 v. 27.III.1900, 1f., Auswanderung aus der Bukowina ; Antrag des Ab-
geordneten Pihuliak und Genossen wegen pachtweiser Ueberlassung der verfügbaren Ackergründe der
Religionsfondsgüter an die Bukowinaer Bauernschaft ; in : StenoProt der X. Sitzung des Bukowinaer
Landtages am 2.V.1893 (1. Session), 294–301 ; sowie XVI. (Schluß-)Sitzung am 20.V.1893 (1. Ses-
sion), 553–560.
76 Bukowinaer Post Nr. 4286 v. 13.I.1910, 2, Bukowinaer Landtag ; der Fonds beteiligte sich an der Re-
gulierung des Moldawaflusses mit 130.000 K (der Landesausschuss brachte dafür 1,8 Millionen K
ein) ; Bukowinaer Post Nr. 2779 v. 10.XII.1911, 4, Pellagrabekämpfung ; hier steuerte der Fonds 10.000
K bei (Regierung 60.000 K, Land 30.000 K).
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439