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248 Die Institution: Struktur & Werte
noch zu lesen. Diese Schichten konnten im Alltag nur wenig mit der nationalen Idee oder
der Vorstellung von übergeordneter Staatlichkeit anfangen, ganz im Gegenteil. Der Preis,
zu den Siegern des Weltkrieges zu gehören und Siebenbürgen und die Bukowina, neben
Bessarabien hinzugewonnen zu haben, schien für die maßgeblichen Eliten des Staates und
die Mehrheit seiner Bürger vorerst überzeugend genug, um die augenscheinlichen Dif-
ferenzen zu den anderen ›rumänischen‹ Ländern zu vergessen.4 Der Befreiungsmythos,
das Erreichen ersehnter nationaler Einheit, deren vermeintliche Ursprünge dabei tief in
die Vergangenheit zurückprojiziert wurden, geriet zur staatstragenden Ideologie der Ge-
genwart. Ihre Kohäsionskraft sollte die Teile zu einem Ganzen verbinden.5
Innerhalb des 1914 noch bestehenden österreichischen Kronlandes hatten sich hin-
gegen die nationalen Streitparteien im Landtag, der zu Beginn dieses Jahres ausgesetzt
worden war, auf einen Burgfrieden zwischen Rumänen und Ruthenen einigen können.
Das politisch-gesellschaftliche Zusammenleben funktionierte zwar einigermaßen, aber
war keinesfalls spannungsfrei gewesen. Die russische Besatzung während des Krieges
einerseits und der Kampf der österreichischen Zivilbehörden, der Armee und der Fi-
scherschen Polizeitruppen andererseits hatten in der Bukowina mithin einen radikalen
Stimmungsumschwung begünstigt.6 Auch wenn die bäuerliche Bevölkerung nach wie
vor Habsburg loyal war, so hatten doch national-radikale Stimmen der dominierenden
politischen Lager beträchtlich an Oberwasser gewonnen.7 Die Ansicht Oszkár Jászis
in seiner frühen Darstellung des Zerfalls der Habsburgermonarchie von der ungleich
größeren Bedeutung wie Rolle der irredentistischen Bewegung in Siebenbürgen sollte
daher differenziert bewertet werden.8 Vor 1916 trifft das sicherlich im Vergleich zum
transleithanischen Siebenbürgen zu. Spätestens mit Herbst 1918 schärfte sich aber auch
in der Bukowina die angesprochene Epochengrenze. Andererseits hatte jedoch nicht nur
in Siebenbürgen auf vergleichsweise breiter Basis der »Geist des Okzidents« tief in gro-
ßen Teilen der Bevölkerung Wurzeln geschlagen, wohingegen im rumänischen Altreich
dieser lediglich die Eliten erreicht hatte.9 Auch für die Bukowina ist von einer derartigen
4 Boia 2014, Război, 69.
5 Vgl. die Rede von Nistor beim rumänischen Generalkongress v. 28.XI.1918 in Czernowitz ; Nistor
1940, Vereinigung, 38–42.
6 Maior 2016, Ani, 220 u. 226.
7 Am 3.X.1918 fand anlässlich der wenige Wochen zuvor erfolgten Rückführung der Gebeine des
Heiligen Johannes Novus von Wien nach Suczawa eine Bauernwallfahrt statt, verbunden mit einer
patriotischen Kundgebung gegenüber dem Kaiserhaus ; Prokopowitsch 1959, Ende, 21ff.; (Neu-
igkeits)Welt Blatt Nr. 170 v. 28.VII.1918, 4, Die Heimreise der Gebeine des griechischen Landespatron
der Bukowina aus Wien.
8 Jászi 1929, Dissolution, 398.
9 Boia 2014, Război, 80.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439