Page - 291 - in Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949 - Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
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Die wirtschaftliche Situation um 1938 291
1919 bis 1928 zwar mehr als 195.000 Hektar neu eingemessen werden, davon wurden aller-
dings nur 90.000 Hektar auch endgültig parzelliert bzw. unter neuen Besitzern aufgeteilt.8
Mitverantwortlich an dieser Situation waren unter anderem die durch den Krieg teilweise
fehlenden oder auf unterschiedliche Orte verstreuten Verwaltungsakten aus der österrei-
chischen Zeit. Das betraf konkret Grundbücher und Kataster, die zunächst erst mühsam
wieder zusammengesellt werden mussten.9 Obwohl die Bukowina nach Kriegsende als
einziges Gebiet des rumänischen Königreiches eine laufende Evidenzhaltung der Kataster
sowohl im städtischen wie im ländlichen Raum (verteilt auf 24 Katastralevidenzhaltungs-
büros) vorweisen konnte, verzögerten sich die Arbeiten an der Agrarreform selbst hier bis
ins Jahr 1938. Die dafür in Czernowitz zuständige Verwaltung gestand das auch offen ein,
verwies jedoch auf hinderliche Umstände wie fehlendes Personal und mangelhafte techni-
sche Ausstattung. So mussten die Beamten für die Vermessungsarbeiten vor Ort beispiels-
weise auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen, da sie über keine eigenen Fahrzeuge
verfügten. Zusätzlich hatte die Bukowina mit der administrativen Neuaufstellung zu einem
Ţinut (›Kreis‹) Gebiete des Altreiches und des ehemaligen zaristischen Bessarabiens (Do-
rohoi und Hotin) übertragen bekommen, wo – wie generell im Regat – vergleichbare Ein-
richtungen wie Grundbuch und Kataster weitestgehend fehlten.10 Hauptverantwortlich für
diese Entwicklung war insgesamt die prinzipiell reservierte Haltung der Bukarester Regie-
rung gegenüber den vormals habsburgischen Gebieten. Ihr lag offensichtlich wenig daran,
vakante Stellen in den Vermessungsämtern mit qualifiziertem Personal auszustatten bzw.
diese überhaupt neu zu besetzen.11
In der Bukowina standen in Summe etwas mehr als 74.000 Hektar für die Enteignung
bzw. Umverteilung zur Verfügung. Von den betroffenen mehr als 800 Liegenschaften ent-
8 ANR-B, FMAD, inv. 1486, Direcţia Cadastrului (1864–1948), pach. 90, Situaţia lucrărilor de
măsurătoare şi parcelare pe judeţe, în perioda 1919–1928, fol. 1 ; eine Aufstellung der in der Bukowina
durchgeführten Maßnahmen zur Agrarreform in den Jahren 1922–1937 (z.T. gegliedert nach Katastral-
ämtern für 1932–1938) findet sich unter pach. 138, Situaţie Generală, Reforma Agrară, fol. 131 u. 135.
9 ANR-B, FMAD, inv. 1486, Direcţia Cadastrului (1864–1948), pach. 91, Referat v. 24.VII.1924, fol.
5–8.
10 ANR-B, FMAD, inv. 1486, pach. 177, Inspectoratul Cadastral Cernăuţi v. 1.IX.1938, Lucrările
Reformă Agrară în Bucovina, fol. 126–129 ; dabei war der Vorgang der Zuteilung im Vergleich zur
Größe der Einheiten vergleichsweise aufwendig : die neu eingemessenen Parzellen wurden je Ge-
meinde Einzelpersonen zugewiesen ; die Verrechnung erfolgte über Hypothekarkredite der Bauern ;
für die Vermessungsarbeiten wurden zusätzlich Spesen angesetzt, so fielen 1926 beispielsweise für
die Gemeinde Voroneţ (Gura Humorului) aus Religionsfondsgründen knapp unter dreieinhalb Hek-
tar an, die auf 24 ›Locuitori‹ (Einwohner) zu verteilen waren ; die Belastung belief sich auf gerundet
5.200 Lei ; zudem kosteten die Vermessungen selbst 2.600 Lei ; ANR-B, FMAD, inv. 469, Direcţia
Funciară, pach 20–5, fol. 2–5 v. 1.I.1926.
11 Müller 2015, Geschichtsregionen, 69f.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439