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344 Die Institution: Struktur & Werte
In der dadurch seitens einiger politischer Strömungen des Kronlandes gezielt geför-
derten Vermischung von sozialen mit nationalen Belangen gelang – wie auch in an-
deren Teilen der Monarchie – eine allmähliche Mobilisierung der bäuerlichen Bevöl-
kerungsschichten zugunsten moderner Massenparteien. Der Religionsfonds musste
hier geradezu in einer Zwitterstellung bestehen : zum einen als Grundherr und Groß-
grundbesitzer und zum anderen als Verwalter eines vermeintlich historisch legitimier-
ten national-rumänischen kulturellen Erbes mit enormer wirtschaftlicher Potenz und
dementsprechend, freilich nur für die eigene Nationalität, einzusetzendem politischen
Kapital. Die Akteure innerhalb wie außerhalb des Fonds konnten kaum einer konsis-
tenten Argumentationslinie folgen, sondern waren mehr oder weniger gezwungen, ihre
Positionen situationsbezogen anzupassen ; ein Umstand, der auf Dauer wiederum in der
politisch ohnedies bereits sensibilisierten Öffentlichkeit weder ihrer persönlichen noch
der institutionellen Glaubwürdigkeit gut tat. Insofern geben – aus einer resümieren-
den Betrachtung heraus
– die Prozesse des institutionellen Wandels und der nationalen
Frage innerhalb des Religionsfonds nicht nur einen Gutteil der das Kronland weithin vor
1914 bestimmenden politischen Diskurse wider, sondern sie selbst gehörten aktiv, mit
unterschiedlicher Intensität, zu ihren jeweils treibenden Kräften.
Die Prozesse des institutionellen Wandels des gr.-orient. Religionsfonds sind jedoch
nicht allein mit der eben angesprochenen nationalen Frage des Kronlandes und ihrer
Entwicklung abzudecken. Regionale (wirtschaftliche) Modernisierung der Bukowina
und der Fonds standen in einem ebenso engen Wirkungszusammenhang. Insgesamt
lässt sich festhalten, dass der Religionsfonds bzw. seine mit der Zeit wachsenden Mittel
und Möglichkeiten auf unterschiedlichste Weise wesentlich zur Verbesserung der öko-
nomischen Struktur des Kronlandes beigetragen haben. Das Spektrum reichte dabei von
der nicht ganz freiwilligen Übernahme der maroden Bergwerke in Jakobeny bis hin zur
vereinzelten (und aus der historischen Betrachtung zunächst unerwarteten) Unterstüt-
zung jüdischer Gemeinden u. ä. Die verständliche anfängliche Skepsis von Hackmann
in Sache der Bergwerke und die selbstverständliche Zusage kostenloser Materialbereit-
stellung für eine kleine Dorfsynagoge durch Bischof Repta skizzieren indes eine weitere,
über das rein Wirtschaftliche hinausgehende Facette dieses Wandels, die dem noch an-
zusprechenden Aspekt des Landesbewusstseins näher steht.
Der erwähnte Wirkungszusammenhang sollte sich in der Frage der Grundentlas-
tungspolitik als Konsequenz des Jahres 1848 deutlich herausstellen. Strukturell gesehen
begünstigte die alleinige wirtschaftliche Dominanz des Fonds durch seinen enormen
Grundbesitz (und der damit verbundenen Möglichkeit eines unmittelbaren staatlichen
Durchgriffes bis auf die lokale Ebene) eine derartige Reform. Das belegt ein Blick auf das
benachbarte Kronland Galizien-Lodomerien, wo sich die Umsetzung der Grundentlas-
tung durch zersplitterte Besitz- und Eigentumsrechte auf Jahrzehnte hinaus verzögerte.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439