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346 Die Institution: Struktur & Werte
seitens der Grundherrschaften (›manorial reaction‹) rechnen, die dem Reformansinnen
zumeist entgegenlief oder es zumindest abzuschwächen bzw. zu bremsen suchte.5 Mit
der Institution Religionsfonds, die zwar gleichermaßen als Grundherrin auftrat, jedoch
zudem über ihre Struktur einen starken Bezug zu Wien (bzw. Bukarest) hatte, war zu-
gunsten des Staates (wie der Region) ein partielles Ausbrechen aus diesem hemmen-
den Interessenskonflikt möglich geworden. Aus methodischer Perspektive lassen sich
außerdem gerade über diese Institution jene Scherkräfte greifbar machen, die aus dem
Aufeinandertreffen unterschiedlicher gesellschaftlicher Konzepte in der Bukowina er-
wachsen waren.
Die mit Kriegsbeginn 1939/40 einsetzende staatlicherseits überaus stark regulierte
Wirtschaft verschlechterte die ökonomisch ohnedies angeschlagene Situation des Religi-
onsfonds neuerlich. Dabei traf diese existentielle Krise auf einen bereits seit über einem
Jahrzehnt wirtschaftlich labilen Fonds. Die verschleppten strukturellen Mängel und die
stete politische Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Institution zeitigten
jetzt ihre Wirkung. Zusätzlich bewirkten die unmissverständlichen staatlichen Inter-
ventionen bei Lieferanforderungen wie Preisgestaltung von Produkten und Leistungen
des Religionsfonds das ihrige und beschleunigten dessen fortschreitende ökonomische
Schwächung.
Im Rahmen der nationalen Frage hatte sich der Bezugspunkt von Werten mit 1918
von Wien nach Bukarest verschoben. Diese Situation pauste sich mit Verzögerungen
auf das ökonomische Feld durch. Das Phänomen der Phantomgrenzen6 lässt sich in
diesem Aspekt in der Bukowina nach 1918 deutlich ablesen. Im persönlichen Konflikt
zwischen Iancu Flondor und Ion Nistor – bzw. auf kirchlicher Ebene das Ringen des
Metropoliten um Kirchenautonomie gegenüber Bukarest
– liefen diese auseinanderklaf-
fenden Erwartungshaltungen schließlich auf eine Schwächung von Fonds und Landes-
kirche hinaus. Beide Institutionen wurden durch einen an Rigidität gewinnenden und
an demokratischer Grundhaltung verlierenden zentralistischen Nationalstaat in ihren
Bestreben enttäuscht. Kirche wie Fonds konnten sich während der Zwischenkriegszeit
einer schleichenden Politisierung mit allen wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Kon-
sequenzen nicht entziehen. Die institutionelle Glaubwürdigkeit als einem für Fonds wie
Kirche grundlegen statischen Faktor hatte darunter dauerhaft zu leiden. Durch den poli-
tischen Kampf angeschlagen, büßte der Fonds als Institution zudem auch seine Flexibili-
tät und Kooperationsfähigkeit (dynamischer Faktor) ein. Er verlor dadurch zunehmend
seine seit der Gründung charakteristische Rolle als Mediator sozio-politischer Kollek-
5 Dazu Giordano 2003, Vielfalt, 126.
6 Dazu Müller 2015, Geschichtsregionen ; hier am Beispiel Siebenbürgens.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439