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89Kontinuität,
Adaption und neue Bedürfnisse |
einer Anzeige im Linzer »Intelligenzblatt« versprach man im Dezember 1828 eine Be-
lohnung von 50
fl (CM), was zu dieser Zeit ca. 160 Taglöhnen eines ungelernten Arbei-
ters entsprach,124 wenn eine »ergiebige Quelle« aufgefunden werde, deren Wasser man
zu den Häusern auf dem Schullerberg leiten könne.125 Woher kam diese Empfindung
eines Mangels ? Der Schullerberg bildete eine wasserarme Gegend, in der zahlreiche
Bewohner/innen das Wasser aus den in der Stadt gelegenen Brunnen holen mussten.
Vermutlich hatte die zunehmende Bebauung des Schullerberges wesentlich dazu bei-
getragen, dass ein latenter zu einem manifesten Mangel geworden war, der auch als
Bedrohung bei Bränden gesehen wurde.126 1832 begannen die Planun gen zur Fassung
einer nahen Quelle, die mit Holzrohren zu einem öffentlichen Brunnen am »oberen
neuen Weg« geleitet werden sollte.127 Die Wasserleitung und der Brunnen waren ab
dem Frühjahr 1833 in Betrieb, wobei es sich offenbar um keine sehr leistungsfähige
Infrastruktur handelte :128 Wegen »des spärlichen Wasserzuflusses und zeitweiliger
Versiegung« habe, so eine in den 1860er Jahren entstandene Linzer Chronik, diese
Wasserleitung »dem Bedürfnisse nicht genügt«.129 Schon in den 1850er Jahren wurde
deshalb ein Pumpbrunnen errichtet, der aber ebenso nur wenig Wasser, sporadisch
sogar gar keines führte. Die hölzerne Wasserleitung wurde vermutlich nicht einmal
zwei Jahrzehnte lang genutzt.130 Die Schullerberger Leitung steht für einen punk-
tuellen Wandel, mit dem man kurzfristig auf Probleme oder Forderungen reagierte,
städtisches (oder allgemein herrschaftliches) Engagement zeigte, aber gleichzeitig das
bestehende System der Wasserversorgung nicht infrage stellte. Für Wien lässt sich zu
dieser Zeit Ähnliches beobachten : Die durch Erzherzog Albert und Kaiser Ferdinand
initiierten (und kofinanzierten) Wasserleitungen sollten ab 1804 resp. 1841 quanti-
tative oder qualitative Defizite beseitigen, stellten aber nur Teillösungen dar.131 Den
begrenzenden Faktor bildeten die Kosten : Bestehende Infrastrukturen konnten in der
Regel nicht erweitert werden, da die Kapazität der genutzten Quellen und der Lei-
tungssysteme begrenzt war, die Etablierung eines neuen zentralen Versorgungssystems
war aus dem »normalen« Budget einer Stadt nicht zu finanzieren : Noch 1870 hatte die
Stadt Linz für die Wasserversorgung nur 763 fl 38 kr ausgegeben.132
124 Vgl. Hillbrand, Türme, 109f.
125 LZ/IB, 22.12.1828.
126 Den Konnex zwischen Feuersicherheit und Leitungserrichtung legen zumindest die Stadtratsproto-
kolle nahe – AStL, HS 1109 (Stadtratsprotokoll 1828), fol. 5a.
127 OÖLA, Karten- und Plänesammlung, VI/23.
128 AStL, Altakten, Sch. 171 ; LR E7m, Reg. 10768 (1619) ; Pillwein, Wegweiser, 167.
129 Fink, Geschichte, 123.
130 OÖLA, Musealarchiv, HS 51 (Materialien zur Geschichte der Stadt Linz von Ignaz Fink, undat.), pag.
672 ; AStL, HS 462 (Unterkameramts Contobuch pro 1848), pag. 84 ; Schreinzer, Methode, 11 – 13 ;
vgl. AStL, HS 1129 (Sitzungsprotokolle des Gemeindeausschusses 1848), fol. 221a u. LVB, 30.11.1875.
131 Vgl. Brunner/Schneider, Umwelt, 151 u. 192f.; Meißl, Hochquellenleitungen, 158 u. 161 ; Stadler,
Was serversorgung, 38 – 40 u. 43 – 54 ; Weigl, Wandel, 186f.; Birkner, Stadt, 129.
132 AStL, HS 237 (Kammeramt Ausgaben 1870), pag. 104f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364