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98 | Wasser
es im Hinblick auf die technische Umsetzung
– vor allem zu diesem Zeitpunkt
– noch
wenig Erfahrungswerte.183
Im April 1871 schloss die Stadt Linz einen Vertrag mit dem Unternehmen »Pon-
gratz und Moore« über die Errichtung einer Wasserleitung ab, deren Kosten das Un-
ternehmen tragen musste, dem dafür aber das Betriebsrecht über 50 Jahre eingeräumt
wurde. John Moore war ein englischer Ingenieur, der in den 1850er Jahren bei der
Errichtung des Berliner Wasserwerks mitgewirkt hatte und ab 1870 gemeinsam mit
dem Wiener Bauunternehmer Oskar Pongratz in Graz ein Grundwasserwerk errich-
tete. Das Unternehmen beabsichtigte, Grundwasser in der Welser Heide zu nutzen
und in die Stadt zu leiten, scheiterte aber, und so wurde der Vertrag 1875 gelöst.184
Das Scheitern scheint sich schon zuvor abgezeichnet zu haben : Im November 1873
ordnete der Gemeinderat eine geologische Untersuchung der nächsten Umgebung
von Linz an, um eine geeignete Wasserentnahmestelle zu finden. Dies übernahm
im Folgejahr Eduard Sueß, der wenige Jahre zuvor die gleiche Frage für die Wiener
Wasserversorgung gelöst hatte und in Linz eine Nutzung des Grundwassers nahe der
Traun empfahl. Diese Ergebnisse übermittelte man im Mai 1874 Pongratz und Moore,
wobei zu diesem Zeitpunkt bereits klar war, dass das Wasserleitungsprojekt »wohl in
anderer Weise zur Ausführung kommen [werde] müssen«.185 1876 war die Mehrheit
des Gemeinderates davon überzeugt, die Errichtung der Wasserversorgung auf Kos-
ten der Stadt durchzuführen : Man beauftragte den städtischen Ingenieur, nahe der
Traun zwei Probebrunnen anzulegen, und die »Deutsche Wasserwerksgesellschaft« aus
Frankfurt am Main, welche die städtische Wasserleitung in Salzburg geplant hatte und
mit der der Gemeinderat bereits im Sommer 1874 Kontakt aufgenommen hatte, mit
der Kostenschätzung für ein Wasserleitungsnetz, das das Grundwasser der Traun in
Kleinmünchen mit Dampfkraft heben und in die Stadt leiten sollte. Im Oktober 1876
beschloss der Gemeinderat die Annahme des Projektvorschlags der »Wasserwerksge-
sellschaft«, der die Kosten mit rund 485.000
fl angab und eine Fertigstellung innerhalb
der nächste zwei Jahre in Aussicht stellte.186
Mit der Entscheidung das Wasserversorgungsprojekt auf Kosten der Stadt zu finan-
zieren, kam es zu ersten Gegenstimmen, die als ein nach außen getragener Konflikt
zwischen den Gemeinderatsfraktionen zu werten sind : Ab dem Ende des Jahres 1876
finden sich in den Tageszeitungen zahlreiche Beiträge, über die sich dieser Konflikt
gut verfolgen lässt. Auf der Seite der Kritiker/innen meldeten sich der ehemalige Ge-
meinderat Karl Foltz – der sich stark für die Kanalisierung eingesetzt hatte – und der
183 Vgl. Melosi, America, 227.
184 Pichler-Baumgartner, Wege, 44 ; Heller, Wasserversorgung, 4 ; vgl. zu Moore : Allgemeine Bauzeitung
21 (1856), 314 ; vgl. zu den kommerziellen Wasserversorgern in London : Jenner, Monopoly ; Van
Lieshout, Droughts u. Tomory, Water.
185 Heller, Wasserversorgung, 5 ; GRP 1874, fol. 160b u. fol. 207a – 210a.
186 GRP 1874, fol. 335a ; GRP 1875, fol. 248a u. 583a – 583b ; Pichler-Baumgartner, Wege, 44f.; Heller,
Wasserversorgung, 5f.; RB 1876 – 1878, 66.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364