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und den »Verein für Ärzte« eine Umsetzung des Wasserleitungsprojektes gefordert.198
Vermutlich waren mittlerweile die Begrenztheit und die Defizite der bestehenden
Wasserversorgung deutlich geworden – vor allem im Vergleich mit anderen Städten.
Diese Angst vor dem Verpassen der Moderne scheinen die Wasserleitungsbefürworter
im Gemeinderat auch für ihre Zwecke genutzt zu haben : Man kann den Besuch der
Berliner »Hygiene-Ausstellung« 1884 durch eine Abordnung des Gemeinderates wohl
in diesem Kontext sehen.199
Parallel zur Diskussion um die »allgemeine Wasserleitung« waren zwei durch die
Stadt finanzierte »provisorische Stadtteil-Wasserleitungen« errichtet worden : 1875
eine Leitung auf den Schullerberg und 1886 eine Leitung, die St. Margarethen, die
Kalvarienwänd und die Obere Donaulände versorgte. Der wasserarme Schullerberg
hatte bereits in den 1830er Jahren eine Wasserleitung und einen öffentlichen Brun-
nen erhalten (vgl. oben), von denen zumindest der Brunnen noch in den 1870er Jah-
ren in Betrieb war und erst 1879 aufgelassen wurde.200 Der Schullerberger Brunnen
wurde auch vom Gutachten des Grazer Ingenieurs Rudolf Linner erwähnt, der die
Qualität des Wassers als sehr schlecht beurteilte, da es »Auge, Nase und Mund beim
Genusse derart beleidigte«.201 Seit den 1850er Jahren beklagten die Bewohner/innen
des Schullerbergs wiederholt die Absenz von Wasser : 1855 beschied die Gemeinde,
dass »die Kosten« einer neuen Wasserleitung »mit dem Nutzen […] in keinem Ver-
hältnisse stehen«202 und zudem die Beitragsleistungen der Bewohner/innen deutlich
übersteigen würden. 1861 folgte ein weiterer Versuch, bei dem auch auf die Feuerge-
fahr aufgrund des Wassermangels verwiesen wurde. Dazu wurde in der Eingabe mit
Verteilungsgerechtigkeit argumentiert : Die anderen Stadtteile würden von neuer Inf-
rastruktur wie der Gasbeleuchtung oder dem Volksgarten profitieren, der Schullerberg
sei davon jedoch ausgeschlossen.203 Aber erst 1873 kam Bewegung in die Sache : Mehr
als 40 Hausbesitzer/innen hatten gemeinsam mit der freiwilligen Feuerwehr eine neue
Eingabe verfasst, in der man wiederum die zu geringe Wasserversorgung und die da-
raus resultierende Feuergefahr thematisierte und vorschlug, eine Leitung mit Donau-
wasser zu errichten. Bezugnehmend auf das damals noch laufende Leitungsprojekt
des Unternehmens Pongratz und Moore betonte man erneut eine Benachteiligung ge-
genüber »den 3 flachen Linzer Stadttheilen«, schließlich bezahle man ebenso Steuern
198 Pichler-Baumgartner, Wege, 45, 81, 105f. u. 117 ; vgl. zur Überschwemmung im Jänner 1883 : RB 1882
[sic], 77.
199 Pichler-Baumgartner, Wege, 81 ; vgl. zum Diffusionsprozess im deutschsprachigen Raum : Brown, Cri-
sis.
200 AStL, HS 212 (Kammeramt Ausgaben 1860), pag. 73 ; AStL, HS 237 (Kammeramt Ausgaben 1870),
pag 107 – 109 ; RB 1879 – 1880, 82.
201 Linner, Salubritäts-Verhältnisse, 18.
202 GRP 1855, fol. 192a.
203 OÖLA, Musealarchiv, HS 51 (Materialien zur Geschichte der Stadt Linz von Ignaz Fink, undat.), pag.
670 – 674.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364