Page - 104 - in Transformationen städtischer Umwelt - Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
Image of the Page - 104 -
Text of the Page - 104 -
104 | Wasser
bezugsquelle – nachdem Donauwasser mehrfach ausgeschlossen worden war – nur
noch das lokale Grundwasser übrig, was bereits im Gutachten des Wiener Geologen
Sueß empfohlen worden war. Aber auch hier entschied man sich für eine günstigere
Variante : Die Brunnen wurden nicht
– wie in einem Gutachten des Arztes Emmerich
Stockhammer von 1887 vorgeschlagen – nahe der Traun (»Schörgenhub«) errichtet,
sondern in »Scharlinz«, das rund 4 Kilometer von der Stadt entfernt war und unmit-
telbar an der Kremstalbahn lag, die für die Kohleversorgung der dampfbetriebenen
Pumpanlage durchaus Relevanz hatte. Zudem war das dortige Gebiet kaum verbaut
und relativ günstig zu erwerben (No. 2 in Abb. 9).215 Pragmatismus lässt auch das
Gutachten von Stockhammer erkennen : Die Leitung könne später verlängert werden,
wenn man wirklich Wasser aus »dem Hochgebirge« beziehen wolle.216
Im Planungsprozess der Wasserleitung waren lokale Akteure genauso wie externe Ex-
perten tätig : Auf die Errichtung von Probebrunnen folgte die Analyse des dort vorhan-
denen Wassers, dem schließlich alle Gutachter Unbedenklichkeit konstatierten. Dazu
vernetzte sich die Stadt Linz mit anderen Kommunen, um Erfahrungen zu technischen
Lösungen und den involvierten Unternehmen auszutauschen.217 Gleichrangig neben der
Frage der Qualität stand die der Quantität, wobei man in dieser Hinsicht ebenso auf
die Erfahrungswerte resp. Schätzungen anderer Städte zurückgriff. In Linz orientierte
man sich schließlich an München, das einen Wasserbedarf von 125 Litern pro Kopf
und Tag angenommen hatte, wobei man rein rechnerisch gesehen bis zum Ende des
19.
Jahrhunderts weit unter diesem Wert blieb : 1893 wurden 19
Liter und 1898 62
Liter
pro Kopf und Tag »bereitgestellt«. Zudem zielten die Linzer Planungen darauf ab, auch
noch in 30 Jahren – bei angenommenen 77.000 Einwohner/innen – eine ausreichende
Wassermenge zur Verfügung stellen zu können.218 Der materielle und energetische
Wandel hatte sich bereits bei den beiden Teilwasserleitungen gezeigt : Die Schullerber-
ger Leitung verfügte über eine mit einer Dampfmaschine betriebene Pumpe, und beide
Leitungen nutzten mit Gusseisenrohren erstmals keine regionalen Materialien.219 Auch
die »Allgemeine Wasserleitung« basierte auf fossiler Energie und auf Produkten des In-
dustriesystems : Sie bestand aus Gusseisenrohren und verfügte über zwei Dampfpumpen
(zu je 55 PS),220 die im Jahr 1896 780 Tonnen Wolfsegger Braunkohle verbrauchten.221
Ab 1884 arbeitete man kontinuierlich an der Umsetzung der Wasserleitung : Nach
dem Begutachtungsprozess wurden die Endplanungen erstellt, die Basis für ein län-
ger dauerndes Genehmigungsverfahren waren. Mit der Erteilung der Errichtungs-
215 Pichler-Baumgartner, Wege, 76 u. 240.
216 RB 1887, 158.
217 Pichler-Baumgartner, Wege, 73 – 82 ; OÖLA, Musealarchiv, Sch. 4/No. 22 ; vgl. zu Salzburg : Ebner/
Weigl, Wasser, 107 – 112 ; vgl. auch allgemein Lenger, Metropolen, 162f.
218 Pichler-Baumgartner, Wege, 175 u. 177 ; vgl. Heller, Wasserversorgung, 44f.
219 RB 1879 – 1980, 80f.; RB 1881, 70.
220 Heller, Wasserversorgung, 48f. u. 55.
221 RB 1896, 170 ; vgl. Jenner, Monopoly, 221.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364