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106 | Wasser
glichen mit Graz, wo ein Unternehmen eine Wasserleitung errichtet hatte, sei dies –
wie Luisa Pichler-Baumgartner festgestellt hat – eine rasche Expansion gewesen.228
Es sei auch kein Ausschluss der eingemeindeten Vororte festzustellen, man habe –
obwohl sich infolge der geringeren Besiedlungsdichte höhere Aufschließungskosten
ergeben hätten – den Hausbesitzer/innen resp. Nutzer/innen keine höheren Kosten
verrechnet und zudem wurde bei der Gestaltung der Tarife wiederholt die »Gerech-
tigkeit« betont.229 Bei einem genaueren Blick zeigen sich aber Grenzen der Gerech-
tigkeit, die vor allem finanzielle Gründe hatten : Die Landesbehörde hatte 1892 bei
der Genehmigung der Benützungsbedingungen der Wasserleitung »zum Zwecke einer
reichlichen Benützung der Wasserleitung […] die Aufstellung möglichst vieler öffent-
licher (Auslauf)Brunnen, namentlich in den ärmeren Stadttheilen« vorgesehen, was
jedoch vonseiten der Stadt – zumindest in der Planungsphase – nur begrenzt beachtet
wurde : Die »Versorgung der Stadt Linz mit Wasser« solle, so das Wasserleitungskomi-
tee 1893, »nicht durch die Abgabe des Wassers aus öffentlichen Brunnen[,] sondern
durch den directen Anschluss der Häuser mittelst Privatleitungen an die allgemeine
Wasserleitung […] geschehen«.230 Auch im Hinblick auf den individuellen Zugang zu
neuen Annehmlichkeiten, die mit den Wasseranschlüssen verbunden waren, wie etwa
WCs oder Badezimmer, zeichnet sich mitunter sogar innerhalb der Häuser eine sehr
ungleiche Verteilung ab.231 Somit bestand die alte Praxis, »das Bad in die Wohnung
kommen« zu lassen, selbst in bürgerlichen Haushalten teilweise bis ins frühe 20. Jahr-
hundert fort.232
Die Frage nach dem Weiternutzen der existenten Infrastrukturen ist schwer zu be-
antworten : Insgesamt lassen sich eine eher langsame Substitution der älteren Wasser-
infrastrukturen und eine zumindest zeitweise Parallelität beobachten, wobei die
verzögerte Umsetzung der »Allgemeinen Wasserleitung« in einem rascheren infra-
strukturellen Wechsel resultiert zu haben scheint. Ende der 1870er Jahre waren noch
19 öffentliche Brunnen (fast alles Pumpbrunnen) in Betrieb, darunter auch am Haupt-
platz ein Grundwasserbrunnen,233 nachdem dort die 2 Röhrenbrunnen – in Antizipa-
tion der neuen Wasserleitung – bereits 1872 abgetragen worden waren.234 Die städti-
schen Brunnen wurden bis zur Errichtung der »Allgemeinen Wasserleitung« genutzt
und bei Bedarf auch modernisiert : Am Marktplatz stattete man den dortigen Pump-
228 Pichler-Baumgartner, Wege, 152 – 159.
229 Ebd., 188 u. 197 – 200.
230 Ebd., 171.
231 Ebd., 161 – 164.
232 Puffer, Heimatstadt, 174f.
233 RB 1876 – 1878, 67 ; vgl. AStL, HS 237 (Kammeramt Ausgaben 1870), pag 107 – 109.
234 Kreczi, Linz, 29 GRP 1872, fol. 180b u. 181a ; RB 1895, 205 ; Müller, Brunnen, 14f. Ein Brunnen
wurde 1979 wieder am Hauptplatz aufgestellt, der zweite befindet sich seit den 1890er Jahren am
Hessenplatz.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364