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222 | Geordnete und modifizierte Umwelt
zelne Berichte aus den 1790er Jahren Einblicke gewähren und darauf hinweisen, dass
auch nichtbürgerliche Schichten diesen Grünraum frequentierten : 1790 lamentierte
der zuständige Gärtner über wiederholte Zerstörungen an den Maulbeerbäumen und
den Spalieren und »nächtliche Blätz Verunreinigung«. Probleme entstanden besonders
zur Zeit der Maulbeerenreife, da dann Jugendliche die Bäume bestiegen, auch das
Ernten der Maulbeerblätter schade der Entwicklung der Bäume.143 Einige Jahre später
stellte man fest, dass der »Pöbel« das Buchenspalier beschädigt habe und die »im(m)er
sehr zahlreichen« Kinder Löcher im Wall verursachen würden.144 Sukzessive wurden
die Maulbeerbäume, die man als Hauptursache der Probleme sah, mit der Pflanzung
von Buchen und Linden ersetzt ; bereits zuvor waren die Maulbeerbäume stark zurück-
geschnitten worden (vgl. Abb. 33).145
Der Großbrand im August 1800, der das Landhaus und andere Gebäude an der
Stadtmauer zerstörte, schuf eine neue Ausgangslage (vgl. Kap. 11. Naturgefahr) :
Nach nur wenigen Wochen waren sich die Stände einig, am Beginn der Promenade
einen neuen Zugang zur inneren Stadt zu schaffen (der – nomen est omen – zur »The-
ater Gasse« wurde), die Befestigung zu beseitigen und den Stadtgraben mit Material
des Walles und der Brandruinen zu verfüllen, was größtenteils durch die Stände
finanziert wurde. Dies war nicht nur eine pragmatische Entscheidung, sondern sie
zielte auch bewusst auf eine Erweiterung dieses repräsentativen (Grün)Raumes ab,146
für den »das ganze Linzerische Publicum und selbst die Nachkommenschaft uns
noch dancken wird«, wie die Stände betonten.147 Die Ausfüllung des Stadtgrabens
und das Abtragen des Walles sei ein »besonderes Anliegen« des naturaffinen stän-
dischen Syndikus Franz Xaver v. Spaun gewesen, erinnerte sich dessen Sohn Joseph
v. Spaun.148 Als Syndikus hatte Spaun den »Genuss eines hübschen Gartens« bei der
Reitschule, in dem, so der Sohn, der Vater für die Kinder oft »Kämpfe und gymnasti-
sche Übungen angeordnet und mitgemacht« habe und der im Sommer jeden Sonntag
zum Kegeln genutzt worden sei.149 Dass die Stände bei der Neugestaltung der Pro-
menade auf »vielen Widerspruch« gestoßen seien, wie Joseph v. Spaun konstatierte,150
ist nicht belegt und eher unwahrscheinlich, denn bereits 1799 hatte die Stadt Linz
den Ständen den Kauf des restlichen Teiles des Stadtgrabens (also des Unteren Gra-
bens) angeboten.151 Ohnehin gab es zu dieser Zeit in vielen Städten keine Befesti-
143 OÖLA, Landschaftsakten, Alte Registratur, Sch. 85, D.XV/No.
38 ; vgl. LR BIIA41, Reg. 19935 (102).
144 OÖLA, Landschaftsakten, Alte Registratur, Sch. 85, D.XV/No. 38 ; ebd., Sch. 92, D.XV.2/No. 123.
145 LR BIIA41, Reg. 19928 (96f.) ; vgl. ebd., Reg. 19926 (96) u. LR BIIA41, Reg. 19995 (161).
146 OÖLA, Landschaftsakten, Alte Registratur, Sch. 98, D.XV.3/No. 79 ; vgl. Awecker, Brand, 37.
147 OÖLA, Landschaftsakten, Alte Registratur, Sch. 96, D.XV.3/No. 21/4.
148 Doku, Spaun, 53.
149 Ebd., 41.
150 Ebd., 53 ; vgl. Depiny, Aufzeichnungen, 187.
151 LR BIIA41, Reg. 19998 (163 – 167) ; OÖLA, Landschaftsakten, Alte Registratur, Sch. 96, D.XV.3/
No. 10 ½.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364