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266 | Epidemie
Koinzidenz : Man hatte in Linz nichts anderes als in Wien gemacht
– dort erkrankten
trotz umfangreicher obrigkeitlicher Maßnahmen und erheblicher Ausgaben zwischen
August 1831 und Herbst 1832 ca. 7.400 Menschen an der Cholera, ca. 4.200 star-
ben.99 Auch in anderen Großstädten wie London und Paris verursachte die Cholera
den Tod von tausenden Menschen und sie stieß – da die angewandten Maßnahmen
der Seuchenbekämpfung weitgehend wirkungslos blieben und damit die Vulnerabilität
der Städte deutlich hervortrat – einen Diskussionsprozess über Defizite der städti-
schen Hygiene und der medizinischen Infrastruktur an.100 Im Februar 1849 wieder-
holte die »k.k. Sanitäts-Commission« anlässlich eines erneuten Choleraausbruches
in Wien101 ihre »Belehrung über die Vorsichts-Maßregeln gegen die Cholera«, die
auch in Linzer Zeitungen publiziert wurde : Immer noch empfahl man, neben einer
ärztlichen Behandlung, »Mäßigkeit im Essen und Trinken«, aber auch »Bewegung in
einer freien Luft«. Zudem hälfen gegen die Cholera »Reinlichkeit«, sauberes Was-
ser, ordentlich geräumte Senkgruben und geruchsfreie Kanäle.102 In Linz richtete der
Magistrat im März 1849 in einem Haus an der Peripherie prophylaktisch ein tempo-
räres »Cholera Spital« ein,103 Cholerafälle traten in Linz damals aber offenbar keine
auf. Wenngleich die Zahl des medizinischen Personals und der Krankenhausbetten
in Linz weiter anstieg, wurden die wahrgenommenen Defizite in diesem Bereich zur
Mitte des 19. Jahrhunderts immer deutlicher artikuliert.104 Im Mittelpunkt stand die
Forderung nach einem »allgemeinen« Krankenhaus, das ein bürgerliches Projekt bil-
dete : Bereits in den frühen 1840er Jahren hatten Linzer Apotheker eine Stiftung für
die »Errichtung eines städtischen Krankenhauses« in Leben gerufen,105 1848 hatte der
provisorische Gemeindevorstand (und spätere Bürgermeister) Reinhold Körner einen
Krankenhausneubau als wichtiges städtisches Projekt definiert, ab dem Jahr 1850 gab
es Sammlungsaufrufe und Charityveranstaltungen, eine »Commission« des Gemein-
derates wurde eingerichtet, die 1852 das Münchner Krankenhaus (erbaut 1808 – 1813)
besuchte. Ein Hindernis stellte – einmal mehr – die Finanzierung des Neubaus dar,
für den in den 1850er Jahren Kosten von rund 200.000
fl (CM) angenommen wurden.
Den 1852 eingerichteten »Baufonds« dotierte man aus umgewidmetem, ursprünglich
für ein Arbeitshaus vorgesehenem Geld, zudem konnten wenige Jahre später 53.000
fl
aus der Staatslotterie lukriert werden. Dennoch blieb eine Kofinanzierung durch das
99 Dies exkludiert die 80.000 – 100.000 Menschen, die Wien wegen der Cholera verlassen hatten
– Weigl,
Wandel, 237f.; Birkner, Stadt, 41, 48 u. 85 – 89.
100 Lees/Hollen Lees, Cities, 119 – 123 ; Schott, Urbanisierung, 224f.; Hamlin, Health, 17, 21f., 85f., 120 –
126 u. 186f.; vgl. auch Kap. 3. Wasser, Kap 5. Zirkulationen und Output u. Kap. 7. Geordnete und
modifizierte Umwelt.
101 Vgl. Birkner, Stadt, 125.
102 ÖB, 20.2.1849.
103 AStL, HS 192 (Oberkammeramt Ausgaben 1849), pag. 575.
104 Vgl. Fink, Geschichte, 100f. u. Koch, Reise, 16.
105 Damals wurden aber offenbar nur 400 fl gesammelt – AStL, Altakten, Sch. 166.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364