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268 | Epidemie
Sterblichkeit mehr als verdoppelte.114 Ende August versuchte eine überregionale, in
Linz erscheinende Zeitung zu kalmieren : Zwar seien die Cholerafälle nun zahlreicher
geworden, in Kleinmünchen und am »Ursprungspunkte« in der Unteren Vorstadt gebe
es aber kaum noch Erkrankungen. »Dieser wahre Sachverhalt möge die Gemüther
jener beruhigen, die durch Uebertreibungen alarmirt werden. Gerüchten vom Aus-
sterben ganzer Häuser, von der Absperrung von Straßen, von Häufung von Todten
u. dgl. können höchstens jene Glauben beimessen, die überhaupt von Furcht bemeis-
tert, der Vorsorge der Staatsbehörde, der Gemeindevorstehung und der Sanitätsorgane
mißtrauen.«115 Ohnehin seien die Ärzte und die beiden Krankenhäuser in der Betreu-
ung der Erkrankten überaus engagiert, es bestehe eine umfangreiche Aufsicht über die
Lebensmittelversorgung und die städtische Hygiene, auch desinfiziere die Stadtge-
meinde öffentliche Gebäude und schaffe wiederholt den »Unrath« weg.116 Zu diesen
Maßnahmen kamen, wie schon 1831, Geld- und Sachspenden und Suppenspeisungen,
zudem wurden Choleraspitäler in Linz, Urfahr und in Kleinmünchen zur Isolation
und Pflege der Kranken eingerichtet.117 Dass auch die Krankenhäuser maßgeblich zur
Behandlung der Cholerakranken genutzt wurden, zeigen städtische Zahlungen und
kaiserliche Ehrungen für deren Ärzte und Funktionsträger, die nach dem Ende der
Epidemie erfolgten.118
Die individuellen Reaktionen der Stadtbewohner/innen zielten offenbar mehrheit-
lich auf – mehrheitlich bereits in den 1830er Jahren formulierte – Prophylaxe- und
Vorsichtsmaßnahmen (vgl. Abb. 31) und auf einen temporären Rückzug aus dem öf-
fentlichen Leben, ein Meiden von Menschenansammlungen ab. Viele seien »vor der
Seuche aufs Land« geflohen, so eine Linzer Tageszeitung rückblickend im Oktober
1855. Am Höhepunkt der Epidemie, Ende August, seien nur noch »Leichenträger,
Speisgänge, Todtenglöcklein die gewöhnlichen Begegnisse und Erscheinungen des
Tages und der Nacht« gewesen,119 alles sei »ganz still geworden«.120 In einem anderen
zeitgenössischen Bericht wurde konstatiert, dass sich »die größere Masse in ihrer ge-
wöhnlichen Lebensweise und ihren Vergnügungen nicht stören ließ«, auch habe sich
die Auslastung der Dampfschiffe kaum reduziert.121 Im August wurde der alljährliche
Bartholomäusmarkt abgehalten, er war aber deutlich geringer frequentiert als in den
vorangegangenen Jahren.122 Am Höhepunkt der Choleraepidemie griff man auf ein
114 LAB, 20.8.1855 ; vgl. zur Mortalität in Kleinmünchen : Datenbank Sterbefälle.
115 ÖB, 24.8.1855.
116 Ebd.
117 LAB, 25.8.1855 ; ebd., 29.9.1855.
118 LAB, 13.12.1855 ; Stadler, Armee-Spital, 88.
119 LAB, 29.9.1855.
120 LAB, 1.10.1855 ; vgl. LZ, 25.8.1855.
121 Fink, Geschichte, 190 – 192 ; OÖLA, Musealarchiv HS 179 (Geschichte der Stadt Linz von Ignaz
Fink, Bd. 2, undat.), pag. 120 – 124.
122 LAB, 25.8.1855.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364