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270 | Epidemie
schen Projekt, die Stadt kaufte den Baugrund an und begann noch im gleichen Jahr,
finanziert durch einen Kredit von über 70.000 fl, mit der Errichtung des Krankenhau-
ses, das sich maßgeblich, wenngleich kleiner dimensioniert (nun mit 100 Betten), am
Zürcher Spital orientierte. Das Krankenhaus war im Herbst 1865 weitgehend fertig-
gestellt und wurde zunächst für Verwundete des Preußisch-Österreichischen Krieges
verwendet, erst im Oktober 1868 startete der reguläre Betrieb. 1874 erhielt das Kran-
kenhaus das Öffentlichkeitsrecht und expandierte stark : 1888 verfügte es über 183
Betten und 1908 bereits über 345 Betten.129
Beim Herannahen der nächsten Choleraepidemie zur Mitte der 1860er Jahre bestand
an der Krankheit deutlich mehr mediales Interesse. Zunächst handelte es sich noch um
die Cholera in der Ferne : Regelmäßig
– und deutlich dichter als in den 1850er Jahren
–
wurde ab dem Sommer 1865 in den Linzer Zeitungen über das erneute Auftreten der
Cholera in Europa, aber auch in Nordafrika, Russland oder Indien berichtet.130 Dazu
kamen Beiträge, die Präventivmaßnahmen und mögliche Übertragungswege diskutier-
ten. Im August 1865 wurde in zwei Leitartikeln in der Linzer »Tagespost« zwar darauf
verwiesen,131 dass die Ursachen und Übertragungswege der Cholera noch unbekannt
seien – man kategorisierte aber den »Eindringling« etwas diffus als »kontagiöse und
miasmatische akute Krankheit«, die durch »Choleragift« hervorgerufen werde. Effek-
tive Gegenmaßnahmen bildeten die Quarantäne von Erkrankten sowie die Desinfek-
tion von Krankenzimmern und den dortigen Aborten, da sich die Krankheit über die
»Darmausleerungen« der Erkrankten
– konkret über »die Luft« oder durch Senkgruben
verunreinigtes Wasser
– weiterverbreite. Diese Artikel verbanden das Thematisieren der
Cholera deutlich mit dem Plädoyer für eine Modernisierung der städtischen Abwasse-
rinfrastruktur.132 Im September wurden aus der »Wiener Zeitung« die »zweckmäßigen
Verhaltungsmaßregeln« gegen die Cholera übernommen, die neben anderem »frisches
reines Wasser« und »Reinlichkeit« empfahlen. Zwar kümmere sich die Obrigkeit um
die Reinigung der Kanäle, »aber es liegt im Interesse jedes Einzelnen selbst darauf
zu sehen, daß der Abort, den er benutzt, rein gehalten, mit gut schließendem Deckel
versehen sei und daß täglich größere Mengen von Wasser hineingegossen werden«.133
Derartige Empfehlungen zielten auf das Vermeiden schlechter (krankmachender) Ge-
rüche ab, wobei aber genauso zur präventiven Desinfektion der privaten Aborte mit
Eisensulfat – hier folgte man dem Wiener Magistrat – geraten wurde,134 von der man
sich ein Abtöten »des spezifischen Cholerakeims oder Ferments« erhoffte.135 Obwohl
129 Stadler, Armee-Spital, 86 u. 88 – 90 ; vgl. Mittmannsgruber, Stadtverwaltung, 225 – 228 ; Mayrhofer/
Katzinger, Geschichte, Bd. 2, 137 – 139 ; LAB, 21.2.1862.
130 Vgl. z. B. LAB, 4.10.1865.
131 LTP, 15.8.1865 ; ebd., 24.8.1865.
132 LTP, 15.8.1865 ; vgl. Evans, Tod, 307 – 314 u. Kap. 5. Zirkulationen und Output.
133 LTP, 13.9.1865.
134 LTP, 14.9.1865 ; vgl. ebd., 7.9.1866.
135 LTP, 13.9.1866 ; LZ, 14.8.1866.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364