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286 | Versorgungskrise
Schneemengen im Frühjahr 1817 mancherorts
– aber nicht in Linz
– zu Überschwem-
mungen, insgesamt war dieses Jahr jedoch deutlich wärmer und niederschlagsärmer.84
Laut Haslingers Aufzeichnungen war der Winter 1816/1817 »ausserordentlich ge-
linde«, der April jedoch kalt und mit einzelnen Schneefällen, was »bange Besorgnisse«
ausgelöst habe, »weil ohnedies der Mangel und die Theuerung so ungeheuer groß und
trückend war«. Die warme Witterung des Mai gab wieder »frohe Hoffnungen«, der
Sommer – der »nie zu naß« und »allzeit gleich wieder schön« war – und die warme
und trockene Erntezeit führten zu einer relativ guten Getreideernte im Linzer Raum.85
Die Getreidepreise stiegen aber noch bis in den Juni an und sanken nur langsam ab –
erst im November 1817 wurde wieder das Preisniveau vom Beginn des Jahres 1816
erreicht (vgl. Tab. 36).86 Der guten Ernte des Jahres 1817, für die in der Linzer Igna-
tiuskirche ein Dankesfest abgehalten worden war,87 folgte 1818 ein »ungemein frucht-
bares, sehr gesegnetes Jahr« mit niedrigen Preisen. »Gott sey Dank dafür !«, notierte
der sonst relativ nüchterne Beobachter Haslinger in seinem Tagebuch.88 Es begann
eine relativ günstige Phase, die bis in die 1840er Jahre andauerte (vgl. Grafik
4),89 auch
das Jahr 1830, das vielerorts von Missernten und Teuerungen geprägt war,90 blieb im
Linzer Raum ohne »besondere Theuerung«.91
Ihr Ende fand diese Phase mit den hungry forties, die den letzten Ausläufer der
Kombination von Missernten und daraus resultierenden überregionalen Versorgungs-
krisen darstellten.92 In Linz war nach einem Sommer mit stark unterdurchschnittli-
chem Niederschlag (was auch den Wiener Raum betroffen hatte) bereits 1842 eine
Preissteigerung bei Getreide und Hülsenfrüchten eingetreten.93 Die Preise für Ge-
treide blieben in den Folgejahren hoch und stiegen durch die schlechten Ergebnisse
der Getreideernte des Jahres 1845 und die im Sommer des gleichen Jahres auftretende
Kartoffelfäule weiter an.94 Die verminderte Ernte der Kartoffeln – in Österreich war
sie rund ein Drittel geringer – verschlechterte die Ernährungssituation erheblich, da
84 HISTALP (Temperatur) u. Casty et al., Temperature (Niederschlag) ; vgl. Behringer, Tambora, 113 – 115.
85 HTb 1817, Jahreszeiten u. Fruchtbarkeit ; vgl. auch OÖLA, Musealarchiv HS 178 (Geschichte der Stadt
Linz von Ignaz Fink, Bd. 1, undat.), pag. 553.
86 Vgl. zu den verfrühten Meldungen eines Sinkens der Getreidepreise : LZ, 24.2.1817 ; ebd., 31.3.1817 ;
ebd., 4.7.1817 ; ebd., 7.7.1817 ; vgl. allgemein : Behringer, Tambora, 165 – 168.
87 Fink, Geschichte, 32.
88 HTb 1818, Fruchtbarkeit.
89 HTb 1819 – 1832, Fruchtbarkeit ; vgl. zu Wien : Csendes/Opll, Wien, Bd. 3, 129f. u. allgemein : Abel,
Massenarmut, 344f.
90 Vgl. HTb 1830, Jahreszeiten ; HISTALP ; Pfister, Wetternachhersage, 104 u. 297 ; allgemein : Abel, Mas-
senarmut, 353f.
91 HTb 1830, Fruchtbarkeit.
92 Collet/Krämer, Germany, 111f.
93 Marx, Ende, 190 u. 194 ; vgl. Casty et al., Temperature.
94 Marx, Ende, 274f. u. 369 ; vgl. LR BVI3, Reg. 1711 (106).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364