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311Feuer
als kollektives Risiko |
Direkte finanzielle Hilfe durch Staat oder Stadt (als »Brandsteuer« resp. »Beihülfe«
bezeichnet) gab es nur punktuell und in begrenztem Ausmaß.154 Nach den Zerstörun-
gen im Erbfolgekrieg Anfang 1742, die wesentlich durch Brandlegungen österreichi-
scher Truppen verursacht wurden,155 erhielten die Betroffenen zwar einen dreijährigen
Steuererlass, aber erst nach wiederholten Eingaben im April 1744 3.000 fl als »Brand-
steuer« durch die Landstände. Weitere Eingaben führten zur Auszahlung von zusätz-
lichen, kleineren Beträgen, im Herbst 1746 gewährte der Kaiserhof schließlich eine
Steuerbefreiung von sechs Jahren und eine »Brandsteuer« von fast 6.000
fl
– insgesamt
betrugen aber allein die Brandschäden vermutlich über 90.000 fl.156 1750 wurde ein
erneutes Ansuchen einer weiteren Steuerbefreiung auf drei Jahre für die abgebrann-
ten Häuser offenbar nicht mehr bewilligt.157 Ein weiterer Effekt, der vermutlich nicht
allzu lange andauerte, war ein erhöhtes Risikobewusstsein nach unmittelbar erleb-
ten Feuerausbrüchen : Nach einem Dachbrand durch Funkenflug 1712 dachte man
im Jesuitenkolleg über brandhemmende Baumaßnahmen nach,158 nach dem Brand
der nahegelegenen Wasserkaserne 1755 kaufte die Wollzeugfabrik acht Häuser und
ein Wiesengrundstück, angeblich wegen der »größere[n] Sicherheit vor Feuersgefahr«,
an.159
Auf obrigkeitlichen Druck hin waren die zahlreichen und relativ ausdifferenzier-
ten Maßnahmen, die das Brandrisiko reduzieren und die Brandbekämpfung effektiver
gestalten sollten, im ausgehenden 18. Jahrhundert noch erweitert worden, speziell die
Feuerbeschau scheint regelmäßig und konsequent von der Stadt durchgeführt worden
zu sein.160 Gleichzeitig bestand offensichtlich ein Bewusstsein über die Defizite der
bestehenden Brandbekämpfung, was zwei 1783 erschienene Satiren deutlich artiku-
lierten : Wenn in Linz ein Feuer ausbreche, »so laufen die Leute wie zu einer Illu-
mination zu, um sich recht satt zu sehen, wie schön es brennt«, anstatt zu helfen. Die
Feuerwächter am Turm würden zu spät alarmieren, dann vergehe zu viel Zeit, bis die
feuerlöschenden Handwerker sich zusammenfänden, zudem »müssen die Kutscher
auch erst ihre Pferde anlegen«, um die Feuerspritzen transportieren zu können.161
154 Pillwein, Linz, Bd. 1, 256.
155 Pillwein, Wegweiser, 28 ; irgendwann war man der »erfolglosen Beschießung müde« und versprach
»den Panduren und Warasdinern zweihundert Ducaten zur Belohnung […], wenn es ihnen gelänge,
alle Vorstädte gleichzeitig in Brand zu stecken«, was diese dann auch schafften (Thürheim, Feldmar-
schall, 177).
156 LR BIIA36, Reg. 19227 (219f.) ; LR BIIA6, Reg. 7719 (76f.) ; ebd., Reg. 7743 (81) ; ebd., Reg. 7753
(82 – vgl. ebd., Reg. 7753 u. 7786) ; ebd., Reg. 7997 (121) ; LR BIIA14, Reg. 14408 (153) ; ebd., Reg.
14410 (154) ; ebd., Reg. 14419 (156f.).
157 LR BIIA6, Reg. 8324 (179).
158 LR CIIIC3, Reg. 214 (90).
159 Pillwein, Beschreibung, 286 ; vgl. Gielge, Beschreibung, 167.
160 Vgl. AStL, Altakten, Sch. 190 ; LR BIIA24, Reg. 17312 (186) ; LR B V, Reg. 838 (414) ; LR BIIG7,
Reg. 4335 (165f.) ; LR BIIA41, Reg. 19908 (81f.).
161 Gimpel Insel, 147.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364