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Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels | 325
Vieles scheint einer ökonomischen Logik geschuldet gewesen zu sein : Brunnen be-
nötigten außer menschlicher Arbeitskraft keinen weiteren Energieinput, verglichen
mit Wasserleitungen waren sie billiger zu errichten und instand zu halten. Bei der
Abwasser- und Fäkalentsorgung bildeten die omnipräsenten Sicker- und Senkgruben
ebenso günstige wie technisch einfache Lösungen, die nicht zwingend – wenn sie
dicht waren und durch Dienstleister regelmäßig entleert wurden – in Hygieneproble-
men resultieren mussten. Abwasserkanäle waren hingegen teuer und nicht unbedingt
zweckmäßig, da kaum ein konstanter Wasserfluss zum Durchspülen vorhanden war.
Und deutlich wirkte bei derartiger Infrastruktur der finanzielle Aufwand begrenzend.
Sparsamkeit bildete einen Grundzug des vormodernen Lebens, und auch die städti-
sche Verwaltung versuchte Kosten zu reduzieren und finanzielle Risiken auszulagern ;
so waren z. B. die Donaubrücke oder die Straßenbeleuchtung zeitweilig einem Pächter
übergeben. Ebenso zeigt der Bereich der Material- und Dingnutzung das Wirtschaf-
ten im Kontext einer sparsamen economy of makeshifts : Aufgrund relativ hoher Materi-
alpreise waren Praktiken des Weiternutzens, Reparierens und Wiederverwendens Teil
der Alltagsroutine und ökonomie.
Zahlreiche Umweltelemente und Umweltprobleme wurden differenziert wahrge-
nommen : In Bezug auf Wasser unterschied man deutlich zwischen Trink- und Brauch-
wasser und man reflektierte teilweise über gesunde oder ungesunde Eigenschaften
des Wassers. Es ist kein prinzipielles Negieren von Unsauberkeit zu konstatie ren ; be-
sonders bei Gestank sorgte die Angst vor krankmachenden Miasmen für ein Suchen
nach Lösungen. Die größtenteils private Zuständigkeit konnte in der Praxis jedoch
Probleme verursachen, das Engagement der Stadtverwaltung und politik blieb aber
begrenzt und anlassbezogen.
Naturinduzierte Krisen stellten in der Regel nur kurzfristige Beeinflussungen des
städtischen Alltags dar. Obgleich die Impacts sehr verschieden waren, lassen sich
dennoch Ähnlichkeiten im Hinblick auf Wahrnehmungen und den Umgang mit die-
sen Ereignissen feststellen. Bei der im frühen 18. Jahrhundert zuletzt aufgetretenen
Pest basierten die Gegenmaßnahmen bereits auf relativ großem Erfahrungswissen
und staatlichem Druck, was ein erfolgreiches Eindämmen der Krankheit ermöglichte.
Die meisten Maßnahmen waren jedoch reaktiv und blieben es in der Folgezeit auch,
wenngleich sich die Vulnerabilität im Hinblick auf Epidemien durch den Ausbau
der medizinischen Infrastruktur reduzierte. Versorgungskrisen traten bis in die erste
Hälfte des 19.
Jahrhunderts regelmäßig auf
– diesen Impacts begegnete man ähnlich :
Die Stadtverwaltung wurde kaum aktiv, nur die territoriale Herrschaft traf einzelne
Gegenmaßnahmen. Meist wurden Getreideimporte organisiert, die preisdämpfend
wirken sollten. Es kam aber zu keinen Prophylaxemaßnahmen, da eine umfangrei-
chere Lagerhaltung von Getreide komplex und teuer war und die Nahrungsmittel-
versorgung in Normaljahren problemlos funktionierte. Die ebenso regelmäßig auf-
tretenden Überschwemmungen führten zu einem Leben mit diesem Impact und zu
einer Anpassung daran, was gleichzeitig die Vulnerabilität reduzierte. Fluviale Ext-
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364