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Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels | 327
Die im 18. Jahrhundert von den Eliten begonnenen Diskussionen um die Qualität
von Wasser setzten sich im 19.
Jahrhundert fort und intensivierten sich im Kontext der
Cholera ab den 1840er Jahren. Zwar waren die tatsächlichen Übertragungswege dieser
Infektionskrankheit unklar ; man vermutete aber zunehmend einen Zusammenhang
zwischen der Cholera, kontaminiertem Boden und verunreinigtem Trinkwasser. Diese
Wahrnehmungen gingen der Umsetzung neuer infrastruktureller Lösungen, die ab
dem Ende der 1860er Jahre beschlossen wurden, somit deutlich voran. Wenngleich die
Diskussion, in Linz eine zentrale Kanalisierung zu errichten, letztendlich von außen
angestoßen wurde, bestand vor Ort schon eine latente Bereitschaft zur Veränderung.
Dies ist auch in einen breiteren Kontext zu stellen : Andere österreichische Städte
errichteten zu dieser Zeit bereits eine moderne Wasserinfrastruktur. Das medizini-
sche Wissen und die medizinische Infrastruktur weiteten sich sukzessive aus : In Linz
wurde diese Entwicklung einerseits von der territorialen Herrschaft, andererseits von
Ordensspitälern getragen, die ab der Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden ; dazu ka-
men aus der »Ferne« Impulse des aufgeklärten Staates und der regelmäßig auftreten-
den Choleraepidemien. Die Stadt trat im medizinischen Bereich spät als eigenständi-
ger Akteur auf : Dies fiel erst in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und damit in
den Kontext der kommunalen Leistungsentfaltung. Für den Bereich des technischen
Wissens war die Expansion des Ingenieurswesens zentral ; es bildete die Basis für die
Neuerrichtung von Infrastruktur und den Donau-Umbau ab der Mitte des 19. Jahr-
hunderts. Dazu kam neues technisches Gerät : Feuerspritzen bildeten z. B. eine Inno-
vation der Brandbekämpfung im 18.
Jahrhundert, und sie brachten auch Diskussionen
um die Notwendigkeit einer professionellen Bedienung mit sich.
Naturwahrnehmungen wurden im Verlauf des 18. Jahrhunderts zunehmend durch
empirische Beobachtungen geprägt, was sich in einer stärkeren Präsenz von Messgerä-
ten manifestierte. Generell verloren religiöse und metaphysische Deutungen an Rele-
vanz, während eine systematisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Na-
tur – mit dem Bürgertum als neuem Träger – im Verlauf des 19. Jahrhunderts zum
Mainstream wurde. Es intensivierten sich die Orientierung an und der Vergleich mit
anderen Städten : Dies lässt sich schon im 18. Jahrhundert bei der Frage der Stra-
ßenbeleuchtung beobachten, deutlich verstärkte sich diese Entwicklung im Verlauf
des 19. Jahrhunderts. Wiederholt wurden Zwänge des Schritthaltens und eine Sorge,
den Anschluss an Entwicklungen zu verpassen, artikuliert ; in diesem Kontext von
einer Positionierung im Städtewettbewerb zu sprechen, ist vermutlich nicht übertrie-
ben. Eine stärkere überregionale Vergleichbarkeit ergab sich über die Expansion der
Druckpublizistik und über die zunehmende Verfügbarkeit statistischer Kennzahlen.
Deutlich zeichnet sich für Linz das Vorbild Wien ab (z. B. in Bezug auf die Wasserver-
sorgung), aber auch kleinere Städte fungierten mitunter als Referenzpunkte (vgl. die
Feuerwehrdiskussionen und gründungen).
Signifikanter Wandel ergab sich in institutioneller Hinsicht : Zunächst war der Staat
(resp. die territoriale Herrschaft) ein zentraler Akteur aus der »Ferne«, was beim Do-
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364