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Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels | 329
teilweise überschnitten und zusammenwirkten. Ein Beispiel dafür ist die Linzer Was-
serinfrastruktur : Frühe, begrenzte Veränderungen ergaben sich aus einem Mangel an
Löschwasser und dem Bedürfnis nach repräsentativen Brunnen. Über eine Moder-
nisierung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung begannen die politischen
Eliten in Linz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu diskutieren, was im
Kontext von Hygienisierung, Assanierung und Gemeindeautonomie zu sehen ist. Zu-
nächst sollten (analog zu anderen Städten) kommerzielle Unternehmen eine neue
Wasserleitung errichten, was aber mehrfach scheiterte. Schließlich entschloss sich die
Stadtpolitik dazu, das Projekt selbst über langfristige Kredite, Gebühren und Steuern
zu finanzieren. Dagegen protestierten einzelne bürgerliche Akteure, die die finanzielle
Belastung ablehnten und die »Wasserfrage« als nicht drängend erachteten. Dies führte
zu erheblichen Verzögerungen, und erst in den 1880er Jahren wurde das Wasserlei-
tungsprojekt konsensfähig, was wohl auch mit der Umsetzung vergleichbarer Infra-
strukturbauten in anderen Städten zu dieser Zeit zusammenhing. Anders als bei der
Wasserversorgung war die Modernisierung der Kanalisierung, die von Anfang an als
städtisch finanzierte Lösung konzipiert wurde, unumstritten. Sie wurde in der öffent-
lichen Diskussion als gesundheitsfördernde Investition gesehen. Ermöglicht wurden
beide Projekte auch durch neue Materialien und neues technisches Wissen.
Diese Konstellationen und Entwicklungen führten zu vielfältigen, intendierten und
unintendierten Modifikationen städtischer Umwelt. Eine Lösung (wie Auswirkung)
war die Externalisierung von problematischem Output : Durch die expandierende
Nutzung von fossiler Energie stieg die Belastung durch Emissionen an, die moderne
Schwemmkanalisation mündete in die Donau und auch für andere Abfälle diente
der Fluss als Entsorger, was eine pragmatische und kaum hinterfragte Lösung bil-
dete. Es kam zu einem veränderten Zugriff auf das Linzer Hinterland : Die Nachfrage
nach Brennholz reduzierte sich, die Versorgung mit Ressourcen und Lebensmitteln
wurde zunehmend überregional, zudem weitete sich die Nutzung des Hinterlandes
als Freizeit- und Erholungsraum aus. Die Produktivitätssteigerungen der regionalen
Landwirtschaft und eine bessere Integration in die überregionale Versorgung ließen
Versorgungs- und Teuerungskrisen ab dem beginnenden 19. Jahrhundert verschwin-
den, wenngleich dieser Prozess in sozialer Hinsicht ungleichmäßig verlief. Die bessere
Marktintegration ermöglichte zudem die Überbauung von landwirtschaftlich genutz-
ten Gründen in den Vorstädten und Vororten. Die Expansion von medizinischer In-
frastruktur und medizinischem Wissen erhöhte die Resilienz der Stadt im Hinblick
auf Epidemien, wobei sich diesbezüglich die Grenzen bei der Cholera deutlich zeig-
ten : Zunächst reagierte man analog zur Pest, was – obgleich die Cholera in Linz nur
im Jahr 1855 schwerer auftrat – weitgehend scheiterte. Die Cholera fungierte jedoch
deutlich als Movens für die Hygienediskussion und den Ausbau der medizinischen
Infrastruktur, sie überdeckte aber die Problematik anderer, endemisch auftretender In-
fektionskrankheiten. Neues Wissen war mitunter nicht vollständig, was unintendierte
Konsequenzen verursachen konnte : Durch den Donau-Umbau beschleunigte sich die
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364