Seite - 10 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
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VORBEMERKUNGEN
Erst vor wenigen Jahren legten Archäologen in Meqa-
ber Ga’ewa, 8 km südwestlich von Wukro in Äthio-
pien in den Ruinen eines altsabäischen Tempels, der
dem Gott Almaqah geweiht war, einen gut erhalte-
nen Opferaltar mit altsabäischer Inschrift aus der Zeit
um 700 v. Chr. frei. An diesen Beispielen lässt sich
gut zeigen, wie eng die Verbindungen über das Rote
Meer hinweg zwischen den Kulturen im Osten Afri-
kas und im südlichen Arabien über schon mindestens
2700 Jahre miteinander verflochten waren. Mich
interessierten auch die Zeugnisse dieser sehr frühen
Hochkultur zunächst einmal auf den arabischen-jeme-
nitischen Teil beschränkt. Später wollte ich dann auch
Äthiopien aus dem gleichen Grund besuchen, wo
ich mich dann 2013 vier Wochen aufhielt.
Der in dieser interkontinentalen Verbindung entstan-
dene Menschenschlag im Jemen ist fast ein Synonym
für Fremdartigkeit, Wildheit und Ursprünglichkeit. Der
Jemen steht für Stolz, Kraft und Wehrhaftigkeit seiner
männlichen Bewohner und – im Kontrast dazu – für
Frauen, die man nach ihrer ersten Menstruation in der
Öffentlichkeit nicht mehr sieht, da sie danach unter
meist mehreren Lagen von verhüllenden Schleiern
verborgen werden. Verheiratete Frauen sind in der
tradierten Vorstellung vieler Männer Eigentum ihres
Mannes. Dieser soll nach dem Koran mit seinem
Eigentum nicht den Neid seines Nachbarn wecken.
Dieses Eigentum schließt in der Vorstellung islamischer
Länder auch die eigene Frau ein.
Am deutlichsten wird das aber in der Architektur und
im Städtebau sichtbar. Bei den Wohnbauten in den
Medinen typisch morgenländischer Stadtanlagen
wird dies sehr gut ablesbar. Die Außenfassaden der
Profanbauten sind zu den Gassen hin bis auf den
Eingangsbereich ungeschmückt. Auf Grund der viel-
fach abgewinkelten, engen Gassen einer Medina
und an Hand der diesen folgenden ebenfalls ab-
gewinkelten Fassaden kann kein Außenstehender
sagen, wo ein Haus endet und das nächste beginnt,
wie groß also ein bestimmtes Haus ist. Man sah
auch in der Vergangenheit nur selten in islamischen
Ländern repräsentative, profane Prachtbauten, wie
sie im christlich geprägten Europa eher üblich sind.
Dies trifft allerdings auf den Jemen besonders im 20.
Jh. nicht zu, denn hier finden sich bereits seit etwa
1900 prächtige Paläste neben den einander sonst
sehr ähnlichen schlankeren Geschlechtertürmen; und
selbst diese traditionellen Türme können im Jemen
über und über mit Dekor individuell gestaltet sein,
wie man am Beispiel Sanaa und anderer Städte be-
sonders im Nordjemen sieht.
Im Jemen kamen diese ersten Prestigebauten zu Be-
ginn des 20. Jh. auf, als Jemeniten nach einer lang
Im Hochland des Nordjemen treffen wir auf bis
zu weit über 3000 m hohe Berge. Der Dschabal
an-Nabi Schu’aib westlich von Sanaa ist mit einer
Höhe von 3760 m der höchste Berg des Jemen –
nur wenig niedriger als Österreichs höchster Berg,
der Großglockner mit 3798. Es gibt felsig raue Ge-
birgszonen, in denen die Bauten aus dem Material
der umgebenden Felsen bestehen und oft dadurch
mit den Felsmassiven zu einer optisch kaum trennba-
ren Einheit verschmelzen. Hier ringen die Bewohner
seit Menschengedenken den steilen Hängen meist
auf schmalsten Feldterrassen karge Fruchtbarkeit ab.
Manche der Bergmassive sehen daher von weitem
wie Höhenschichtenmodelle mit tausenden von en-
gen steil übereinander gestaffelten Feldterrassen aus.
Im Wadi Hadramaut, dem vielleicht ausgedehntesten
Wadi-System unserer Erde, einem von oben gesehen
extrem feinverästelten, stark gegliederten Tälersystem
von kleinsten und kleinen, immer breiter und tiefer
werdenden Geländeeinschnitten, die sich in die
horizontalen Sedimentschichten des ausgedehnten
Hochlandes durch Wassererosion langsam und tief
eingegraben haben, liegen die Siedlungen an den
Hängen, auf erhöhten Zonen im Tal oder auf stehen
gebliebenen Kämmen innerhalb eines Talraumes.
Hier sind die Siedlungsformen besonders vielfältig.
In der relativ ebenen parallel zum Roten Meer ge-
legenen Tihama-Wüste hingegen haben sich schon
früh die ebenfalls als Tihama bezeichneten Afrikaner
aus dem Osten des Nachbarkontinentes niederge-
lassen. Sie kamen über das Rote Meer und brachten
ihre typisch afrikanische Lebensweise, ihre Architektur-
und Siedlungsformen sowie ihre Bautraditionen und
-technik mit und leben in der Tihama-Wüste in typisch
afrikanischen riesigen, annähernd runden Kralen, die
burgähnlich nach außen mit hohen Dornengebüschen
gegen das Eindringen von Fremden aus der sie um-
gebenden gleichnamigen Wüste gesichert sind.
Interessiert haben mich im Jemen auch die Reste der
zum Teil sehr frühen Hochkulturen, deren bekannteste
die der Königin von Saba ist. Es gab danach aber
auch das himiaritische und das axumitische Reich.
Alle drei Reiche reichten jeweils weit über das Rote
Meer nach Afrika. So steht nur 37 Kilometer nordöst-
lich von Axum im äthiopischen Jeha nahe der Grenze
zu Eritrea der wohl besterhaltene Tempel des altsabäi-
schen Reiches aus der Zeit zwischen 8. und 5. Jh. v.
Chr.. Das axumithische Reich erstreckte sich etwa über
den Zeitraum vom 1. bis zum 7. Jh. n. Chr. und wurde
im 4. Jh. christianisiert. Das äthiopische Axum war das
Zentrum dieses axumitischen Reiches, das seinerseits
bis weit nach Südarabien reichte. Die Verflechtungen
zwischen Arabien und Afrika waren vielfältig und las-
sen sich über einen weiten Zeitraum verfolgen.
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Titel
- Jemen
- Untertitel
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 308
- Schlagwörter
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix