Seite - 101 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
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REISE DURCH DEN JEMEN
101 von außen zu öffnendes Türchen auf Augenhöhe errei-
chen. Mit diesem Seil betätigt der Zutrittsuchende je
eine kleine Glocke auf jeder Etage des Hochhauses.
Ein im Haus befindlicher Bewohner sieht dann aus
einem der Fenster an der Frontseite hinunter und prüft,
wer Einlass erbittet. Wenn die Person hinaufgelassen
werden soll, zieht er seinerseits an einem zweiten
Seil, das den beweglichen inneren Holzriegel ohne
Schloss zurückzieht und so die Türe freigibt, oder er
lässt einen Holzschlüssel an einem Strick hinunter, mit
dem die Tür von außen aufgesperrt werden kann. Die-
ses System klingt vielleicht kompliziert, ist aber sehr
praktikabel, wie wir in Schibam erlebt haben.
In der Innenstadt gab es mehrere Wasserstellen, bei
denen der wassergefüllte Balg oder das poröse Ton-
gefäß bereits durch einen Wasserhahn ersetzt worden
war, der über das neue Leitungsnetz gespeist wird.
Auch hier stand mindestens ein mit einer Kette gesi-
cherter Metallbecher den Passanten zum Trinken zur
Verfügung. Wie wir beobachten konnten, ziehen es
allerdings viele vor, aus der hohlen Hand zu trinken.
Männer tragen im Wadi Hadramaut gewöhnlich
bunte “Sarongs”, die nach jemenitischen Vorgaben
in Thailand gefertigt und in den Jemen importiert wer-
den. Der Wickelrock hat in weiten Teilen des süd-
lichen Jemen eine tief in die Vergangenheit reichende
Tradition. Früher wurden die Röcke im Jemen selbst
hergestellt. Die Frauen können auch im Südjemen und
dort besonders im Wadi Hadramaut, obwohl er über
zwölf Jahre kommunistisch war, in der Öffentlichkeit
in der Regel nur als völlig textilverhüllte Wesen, meist
ganz in Schwarz verschleiert, auftreten.
In Tarim beobachteten wir, dass nicht gebrannte
Lehmziegel von Abbruchhäusern freigelegt, vorsichtig
Es gibt sehr unterschiedliche Schlüsselprofile. Dennoch
sind diese Schlösser nicht ganz so sicher, wie die im
Jemen, weil sich das Profil am Schlüsselloch abzeich-
net, meist durchgehend gleichbleibt und die Fallenstär-
ken wie auch die Fallenentfernungen ertastet und da-
mit der jeweilige Schlüssel nachgeformt werden kann.
Sicherer ist das System der Holzschlösser im Jemen.
Andererseits ist dieses Schloss von Tinos robuster.
Die letzten der alten hölzernen Schlösser auf Tinos
waren noch bis vor wenigen Jahren in Verwendung.
Seit wann es die Schlösser auf der Insel gibt, ist nicht
bekannt. Von den Römern wurden jedenfalls die ägyp-
tisch-jemenitischen Holzschlösser zum Vorbild ihrer
Metallschlösser genommen. Diese garantierten schon
sehr früh ein relativ hohes Maß an Sicherheit und wa-
ren in Metall ausgeführt auch gleichzeitig sehr robust.
Ob es zur Zeit der Römer bereits das Schloss von
Tinos gab, ist heute nur mehr schwer zu klären.
Bei den meisten Hochhäusern von Schibam, aber
auch in Tarim und Seiyun, eigentlich im gesamten Wa-
disystem des Hadramaut, ist die jemenitische Art von
Schlössern meist nur an der Außenseite angebracht,
innen gibt es nur mitunter einen einfachen Riegel, der
per Hand zugeschoben wird. Bei den mit 30 m bis
40 m Höhe recht hohen Gebäuden von Schibam mit
ihren meist sieben bis neun Geschoßen wäre es aber
für einen im Haus verbliebenen Bewohner lästig, für
jeden von außen kommenden Bewohner oder Be-
sucher des Hauses alle Treppen hinunter laufen zu
müssen, um den Verschlussriegel und damit die Haus-
tür zu öffnen. Daher gibt es in den Hochhäusern von
Schibam meist zwei Seilzüge, die vertikal durch alle
Stockwerke am Rande des Treppenhauses verlaufen.
Das eine Seil kann ein potentieller Besucher von au-
ßen durch ein kleines, meist sehr schön geschnitztes,
Abb. 102
Diese Perspektive zeigt das
hölzerne Fallenschloss von
der griechischen Insel Tinos
zerlegt in den Schlosskörper,
die 4 Fallen, den horizontal
verschiebbaren Riegel und den
Hartholzschlüssel.
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Titel
- Jemen
- Untertitel
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 308
- Schlagwörter
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix