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REISEBERICHT
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dritten Stockwerk aufwärts folgt Adobe-Mauerwerk.
Dahinter steht eine arbeitsökonomische Erfahrung. Ab
dieser Höhe eines Bauwerks wäre der Aufwand des
Hinauftragens von schwererem feuchtem Lehmma-
terial für die Verarbeitung im Pisé-Verfahren anstren-
gender, als das Vorfabrizieren von Adobes unten
vor dem Gebäude, das Trocknen dieser Ziegel und
das Hinauftragen dieses dann leichteren Baumate-
rials samt der Verarbeitung mit feuchtem Lehmmörtel.
Auf unserer Fahrt durch den Jemen sind uns derartige
Kombinationen wie in Marokko nicht aufgefallen.
Ich war mir bis zum Ende der Reise nicht sicher, ob
ich im Jemen überhaupt Bauten in Pisé-Bauweise an-
getroffen hatte. Obwohl im nahen Ägypten schon um
3000 v. Chr. die bislang frühesten Schlusssteinge-
wölbe gefunden wurden, finden sich beispielsweise
im Jemen Kuppeln mit dem konstruktiven Konzept des
Schlusssteinbogens nur bei Sakralbauten. Sie dürften
erst mit der Verbreitung des Islam über den Schmelz-
tiegel Mekka auch ins südliche Arabien gelangt sein.
Die weitgespannten Schlusssteinbögen bei überdeck-
ten Zisternen, wie beispielsweise bei jener in Had-
schara, dürften viel später mit den Osmanen in den
Jemen gekommen sein.
In Schibam waren viele Bauten verputzt und so konn-
ten wir nur bei in Bau befindlichen oder noch nicht
verputzten Hochhäusern die Bauweise überprüfen.
Dieser Verputz wird allerdings seinerseits wieder meist
mit einem hohen Anteil an Stroh versetzt und im Ver-
putz-Vorgang von oben nach unten verstrichen, damit
die äußeren Strohfasern nach unten gerichtet sind.
So entsteht bei außen nicht gekalkten Stockwerken
beim ersten Schlagregen nach Abschwemmung des
äußersten Lehmfilms eine schuppige Oberfläche, die
das Lehmmaterial unterhalb relativ gut schützt. In den
oberen Stockwerken wird meist ohnedies zusätzlich
noch eine dünne Schicht Kalkschlämme aufgetragen,
die nicht nur das Sonnenlicht gut reflektiert und so eine
starke Aufheizung des Außenmauerwerks vermeiden
hilft, sondern auch zur Festigung der Oberfläche führt.
Die Sockel der Hochhäuser von Schibam sind oft wie
Füße geformt. Es dürfte eine Form sein, die sich im
Laufe der Jahrhunderte immer wieder bewährt hat.
Schon fast von der Mitte der schmalen Gassen steigt
das Niveau langsam zu den Seiten an, nahe dem
aufgehenden Mauerwerk steigt es stärker, um dann
auch an der unteren Außenmauer zunächst ausge-
stellt anzusetzen, bis es erst weiter oben in ein fast
senkrechtes Mauerwerk übergeht. Das hat auch den
Vorteil, dass im Falle von Regen das Wasser jeden-
falls immer weg von den Mauern zur Gassenmitte
geführt wird. Dort verläuft bei engen Gassen eine
Rinne mit Gefälle.
Abb. 119
Blick über einen Platz in eine typische Straße
in Schibam. Die “Füße“ der Hochhäuser haben
ein Gefälle zur Gassenmitte, damit allfälliges
Regenwasser von der Mauer sofort weggeführt
wird. Die vortretenden Rinnen und Rohre an den
Fassaden weiter oben dienen der Gebraucht-
wasserentsorgung meist aus Küchen. Das Was-
ser erreicht nur selten den Gassenboden.
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Titel
- Jemen
- Untertitel
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 308
- Schlagwörter
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix