Seite - 119 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
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REISE DURCH DEN JEMEN
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Es ist aber trotzdem verwunderlich, dass man in Schi-
bam keinen Steinsockel verwendet hat, obwohl ge-
nügend Felsmaterial in relativ geringer Distanz an den
Wadi-Seiten verfügbar gewesen wäre. Hier gibt es
den Schutthang und darüber fast 300 m fast senkrech-
te Felswand in wenigen hundert Metern Entfernung. In
vielen anderen Kulturen und in vielen anderen Orten
sogar im Wadi Hadramaut hat man die Lehmwände
meist auf einen Steinsockel gestellt. Wahrscheinlich ist
die Gefahr in Schibam sehr gering, dass es durch
länger andauernden Regen zu einer Aufweichung
des gesamten Sockelbereiches der Hochbauten bis
ins Innere kommt, wodurch ihre Stabilität gefährdet
würde. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass man
immer wieder auf den Grundmauern der Vorgänger-
bauten aufgebaut hat und so die eigentlichen Sockel
in tieferen Stadtsedimentationsschichten mit der Zeit
verschwunden sind. Hans Helfritz schrieb in diesem
Zusammenhang, dass nach einem sehr heftigen Re-
genereignis in Tarim 17 Bauten und ein Teil der Stadt-
mauer eingestürzt sind. Hier dürfte es aber wohl eher
die Erosionskraft des Wassers oder die kinetische
Kraft einer Flutwelle gewesen sein und nicht die lang-
same Durchfeuchtung, die zur Katastrophe führte.
Ohne Lifte ist ein Gebäude von 30 m oder sogar 40
m Höhe vor allem für ältere Bewohner eine Zumutung.
In Österreich muss ab dem fünften Stockwerk, also
ab etwa 12 m Höhendistanz vom Außenniveau ge-
messen bereits zwingend ein Lift eingebaut werden.
Das Problem der Kommunikation von älteren Men-
schen hat man in vielen Städten mit Geschlechtertür-
men im Jemen dadurch gelöst, dass man geschlosse-
ne Verbindungsbrücken zwischen den Stockwerken
benachbarter Hochhäuser einführte, wenn die Stock-
werkshöhen einigermaßen kompatibel waren und
die Nachbarn sich verstanden. Voraussetzung dafür
war allerdings, dass es sich um miteinander verwand-
te Familien handelt. Da die ältere Generation oft im
vierten Stockwerk der Wohntürme untergebracht ist
und die Gassen meist sehr eng sind, war das auch
konstruktiv in der Regel kein Problem. Alte, mitunter
gehbehinderte Menschen müssen also nicht in jedem
Fall vier Stockwerke hinunter und im nächsten Haus
wieder hinaufsteigen, wenn sie den Nachbarn besu-
chen wollen, sondern benutzen einfach eine solche
Brücke.
Wir gingen von unserem Aussichtspunkt oberhalb
des Wasserbehälters hinunter in die Stadt und waren
bald wieder von laut schreienden und gestikulieren-
den Kindern, von herumhüpfenden Ziegen, Hunden
und Katzen umringt. Vor der Stadtmauer fanden wir
nochmals ein kleines sehr schön gestaltetes Wasser-
haus. Auch hier war der mit wassergefüllte Balg im
Innern inzwischen durch einen Wasserhahn mit An- Abb. 120
Brücken zwischen zwei Geschlechtertürmen.
Hier wurden zwei dritte und zwei zweite Ge-
schoße miteinander verbunden. Solche Brücken
wurden vor allem für ältere Familienangehö-
rige gebaut, damit sie ihre Altersgenossen im
Nachbarhaus besuchen können, ohne dafür die
steilen Treppen steigen zu müssen.
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Titel
- Jemen
- Untertitel
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 308
- Schlagwörter
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix