Seite - 198 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
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REISEBERICHT
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und Europa via Fernsehen in die Lehmbauten bringen.
Diese Wunschbilder lassen die eigenen Wohnverhält-
nisse als ärmlich und nicht mehr adäquat erscheinen.
Bei vielen älteren Häusern ist auf den Fassaden um die
Fenster ein oft individuell gestalteter Bereich faschen-
artig hervorgehoben und weiß gefärbt. In etlichen
Fällen sind diese vortretenden, weißen Fassadenteile
auch ornamentartig über die Fassade hinweg mitein-
ander verbunden. Wir sahen noch einige sehr schön
geschnitzte ältere Holztüren mit ihren traditionellen
Motiven und auch moderne Metalltüren mit komple-
xem Dekor durch in Mustern aufgeschweißte Stege
und eine reizvolle Farbgebung.
Das Unverwechselbare an den Außenwänden der
historischen Lehmbauten sind sichtbar gelassene, nicht
verstrichene horizontale Fugen an den Fassaden, die
suggerieren, dass es sich um Bauten in Pisé-Bauwei-
se handelt. Zwischen den relativ niedrigen einzelnen
Lehmschichten, die an den Ecken der Bauten in einer
sehr charakteristischen Weise heraufgezogen wer-
den, finden sich grafisch wirksame tiefe Fugen mit
einem Rücksprung. Jede dieser Lehmschichten wird
aus unzähligen nassen Strohlehmklumpen händisch
ohne Schaltafeln so geformt, dass jeweils die untere
Kante einer Schicht ausgestellt vortritt und nach oben
gleichmäßig zurückweicht. Sie wirken dadurch wie
Schuppen auf der Haut eines Tieres oder wie Ziegel
eines Daches. Hierdurch wird das Regenwasser von
jeder Schicht etwas nach außen geführt. Welchen
Sinn das Heraufziehen der ca. 50 bis 70 cm ho-
hen Schichten zu den Hausecken hin hat, konnten
wir nicht ermitteln. Angenehm fallen die vielen Rank-
gewächse und die grünen Gärten bei den älteren
Häusern in der Altstadt auf.
Auf dem Markt in der Altstadt von Saada kauften
wir mehrere bunte flaschenförmige Körbe, die man
an der breitesten Stelle öffnen und auch wieder ver-
schließen kann. Es wurden auch alte hölzerne Tür-
schlösser, wie wir sie bereits in Schibam in Verwen-
dung gesehen hatten, angeboten. Ich hätte gerne
eines davon für das Grazer Schlösser- und Schlüssel-
museum gekauft – leider fehlte aber bei jedem dieser
Schlösser irgendetwas. Die Kinder waren lästig und
manchmal auch frech. Der Silberschmuck war sehr
grob gearbeitet und daher für uns uninteressant.
Am Abend konnten wir hinter dem Horizont den Licht-
schein von zwei Siedlungsräumen an der Unterseite
einer Dunstdecke am Himmel sehen. Einige Bewoh-
ner von Saada deuteten es als das Licht von zwei
kleineren Städten jenseits der Grenze zu Saudi Ara-
bien. Saada liegt von beiden Städten etwa 55 km
entfernt.
der Stadt, weil man von hier einen guten Blick auf
die Altstadthäuser hat. Beim Bab al Jemen war der
Torbau noch relativ intakt und neben einem kleinen
Wärterhaus gab es hier auch ein Wasserhaus. Das
Wasser kam aber auch hier bereits aus der örtlichen
Wasserleitung. Die Mauer ist aus Lehm errichtet und
wirkt daher sehr massig.
Das Stadtbild war leider nicht mehr überall harmo-
nisch. Es wurde vor allem durch viel zu breite Asphalt-
straßen mit Bürgersteigkanten und diagonal durch
die niedergerissenen Teile der Altstadt schneidende
Straßenführungen gestört. Es scheint, als habe die
Stadtverwaltung die Altstadt von Saada bereits auf-
gegeben. Auch in der Altstadt entstehen bereits erste
Bauten aus modernem Material, die überhaupt nicht
zum Altbestand passen. Asphalt und Stahlbeton bil-
den einen unharmonischen harten Kontrast zum Lehm-
material und Stein der historischen Altstadt. Auch der
enorm viele Müll in den Straßen und auf den Plätzen
ist hier ein nicht gelöster Problembereich. Dazu kom-
men wahllos angebrachte Antennenanlagen auf den
Häusern, die nicht nur das Ambiente stören, sondern
auch ihren Bewohnern Wunschbilder aus Amerika
Abb. 219
Bewohner der Stadt Saada mit Djampiya.
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Titel
- Jemen
- Untertitel
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 308
- Schlagwörter
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix