Seite - 219 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
Bild der Seite - 219 -
Text der Seite - 219 -
REISE DURCH DEN JEMEN
219 bam auf dem Plateau gestanden haben dürfte. Eine
stadtarchäologische Untersuchung erscheint daher in
Kaukaban erfolgversprechend.
Der Blick vom Plateau von Kaukaban hinunter zeigt
Richtung Norden im Hintergrund den hohen Burg-
felsen von Thulla und die Stadt, die sich an diesen
hohen Felsblock drängt. Weiter unterhalb folgen
etliche Gebäudegruppen, die sich zu regelrechten
Festungen agglomerieren. Ganz im Vordergrund et-
was weiter nach Osten gesehen liegt das nordjeme-
nitische Schibam mit einer großen Stützenmoschee,
die über einen ausgedehnten Hof verfügt und aus
der ein alles überragendes Minarett wächst. Auch in
Schibam sind größere Flächen unverbaut. Sie dürften
ähnlich, wie in Kaukaban, im Bürgerkrieg durch Bom-
bardierungen und andere Zerstörungen entstanden
sein. Auch in die anderen Richtungen ist der Blick von
Kaukaban aus hinunter ins Tal faszinierend. In fast
gleichmäßigen Abständen finden sich große, zum
Teil mächtige Klanburgen in der Landschaft.
Der Weg hinunter führte über unzählige Stufen rela-
tiv schnell nach Schibam. Zur linken sieht man hier
etliche prähistorische, in den Fels gemeißelte Räume.
Wir durchquerten die Stadt nun in der entgegenge-
setzten Richtung. Sie war ziemlich schmutzig, voll mit
Plastikmüll und überall lagen noch Staubanwehungen
des letzten Staubsturmes. Auffallend waren die vielen
Säulen vor Geschäften. Die Kinder waren in dieser
Stadt, die wohl sehr oft von ausländischen Touristen
besucht wird, besonders lästig. Sie wollten “galam,
surra, surra, bakschisch” – also Kugelschreiber, Fotos
und Geld. Wir fuhren daher nach nur kurzer Besich-
tigung bald mit einem Taxi mit stark beschädigter
Windschutzscheibe, eingezwängt zwischen vielem
frischem Kat, zurück nach Sanaa. Dort aßen wir
den sind heute noch überall zu sehen. Viele Häu-
ser bestehen nur noch aus Teilen ihrer Fassaden,
die selbst teilweise stark beschädigt sind, andere
wurden nur notdürftig repariert. Nur wenige Häu-
ser blieben unbeschädigt. Innerhalb der Stadt gibt
es auch mehrere große Freiflächen, die durch die
Bombardierungen und das Wegräumen des Schutts
entstanden sind. Hier wurden die zerstörten Häuser
nicht wiederaufgebaut und die Bewohner zogen of-
fenbar weg. Angesichts der besonderen Ästhetik der
Architektur in Kaukaban sind die Zerstörungen auch
ein großer kultureller Verlust, der mit der importierten
neuen Waffentechnik über den Jemen hereinbrach,
bei der die alten Wehranlagen natürlich wirkungslos
bleiben.
Es gibt auf dem Plateau mehrere große Zisternen. Be-
merkenswert ist das Minarett der Moschee von Kau-
kaban. Es wurde nur im Sockelbereich aus Naturstein
errichtet, darüber folgt eine Architektur aus gebrann-
ten Ziegeln. Vielleicht war auch das Minarett groß-
teils zerstört und musste über dem Sockel rekonstruiert
werden. Jedenfalls verfügt es in einem Zwischenbe-
reich über Arkaden mit sich durchdringenden Bögen,
wie man sie in Europa aus der normannischen Archi-
tektur kennt, die bekanntermaßen auf die islamische
Baukunst zurückgeht.
Auffallend sind einige wiederverwendete antike Stei-
ne, Spolien mit sabäischen Inschriften. Geht man da-
von aus, dass derart schwere Steine kaum für die
Oberschwelle eines einfachen heutigen Hauses auf
das Plateau transportiert wurden, was früher ohne
Lastkraftwagen immer eine Herausforderung war, so
deuten diese Spolien auf die einstige Existenz eines
antiken Tempels hin, der wohl an der Stelle des heu-
tigen Städtchens in dieser markanten Lage über Schi-
Abb. 242
Eines der Tore durch die
mächtige Wehrmauer von
Thulla erlaubt keinen Blick in
die Stadt.
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Titel
- Jemen
- Untertitel
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 308
- Schlagwörter
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix