Seite - 264 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
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REISEBERICHT
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an. Manche beklagten sich auch darüber, dass der
Fahrer zu schnell gefahren sei. Aber er konnte eigent-
lich nichts für diesen Unfall und hatte instinktiv optimal
reagiert. Sein Wagen war durch das unverantwort-
liche Überholmanöver des Fahrers vom überholenden
Lastkraftwagen und von der Felswand stark beschä-
digt worden und es hatte uns alle extrem gefährdet.
Unser Fahrer fuhr noch eine kurze Strecke weiter, bis
er anhielt und den Schaden an seinem Taxi mit einer
mitgeführten Taschenlampe rundum besichtigte. Eine
der Türen ließ sich nicht mehr öffnen, alle Türen und
auch die Kotbleche waren stark beschädigt, zum Teil
war das Außenblech regelrecht von der Rahmenkons-
truktion heruntergerissen. Aber alle Räder und Reifen
waren funktionsfähig geblieben. Von hier an fuhr der
Fahrer nur noch mit einer maximalen Geschwindig-
keit von 80 km/h nach Sanaa weiter. Die weitere
Fahrt war von heftigen Gebeten zu Allah durch die
anderen Mitreisenden begleitet.
Erst 2017 schaute ich mir die Gegend um Dhamar
bei Google Earth genauer an und fand auch Baynun
mit seinem Tunnel und dem Ruinenfeld bei der oberen
Ortschaft. Da mir das Ruinenfeld für eine so wichtige
Stadt, wie die spätere Hauptstadt des himiaritischen
Reiches etwas klein vorkam, obwohl mir die Ruinen
1992 im Gelände groß erschienen waren, suchte ich
die Umgebung von Baynun ab und entdeckte weitere
Ruinen etwa 4 km (Luftlinie) nördlich von Baynun. Die-
se ebenfalls U-förmige Anlage ist sicher wesentlich
größer und es steht auf ihr eine kleine Siedlung. Wie
alt diese Ruinen sind, kann man natürlich aus der Sa-
tellitenaufnahme nicht eruieren; sie sollten daher von
Archäologen untersucht werden. Die Ruinen haben
die Koordinaten von 14.785454° nördlicher Breite
und 44.646887° östlicher Länge. Der Tunnel liegt
bei 14.746796° nördlicher Breite und 44.645220°
Wagen keinen freien Platz mehr gab. Man rückte
noch enger zusammen. Der Fahrer fuhr gut, aber sehr
zügig – meist mit 120 km/h, was auf dieser engen
Bergstraße, der Hauptverkehrsstraße von Süden nach
Sanaa, sehr schnell ist. Einige der Fahrgäste beklag-
ten sich über die hohe Geschwindigkeit, was aber
keine Reduzierung bewirkte.
Wir waren gerade auf einem sehr kurvenreichen Ab-
schnitt der Straße vor einer Passstelle unterwegs und
fuhren um eine Bergnase in einer nicht einsehbaren en-
gen Rechtskurve, als wir uns zwei sich überholenden
Lastkraftwagen gegenübersahen, die vielleicht 40 m
von uns noch entfernt waren und auf uns mager be-
leuchtet zufuhren. Ich sah eigentlich keine Lösung des
Problems. Alles spielte sich wie in einem Zeitlupe-Film
ab. Viel sehen konnte man nicht, weil es dunkel war.
Der reaktionsschnelle Fahrer fuhr rechts unmittelbar an
den senkrecht aufsteigenden Felsen heran, wo eine
Wasserrinne aus dem Fels geschlagen worden war.
Das Blech kreischte auf Stein. Auf der anderen Seite
raspelten die Räder des überholenden Lastkraftwa-
gens für Sekundenbruchteile das Blech des Taxis ab.
Der Lärm war unbeschreiblich, der ganze Wagen
wurde dabei extrem gebremst und zugleich nach
rechts und nach links gebeutelt. Unmittelbar danach
kamen wir schon wieder aus dem Wassergraben ne-
ben dem aufsteigenden Felsen heraus auf die Straße.
Es grenzte an ein Wunder, dass wir noch lebten und
der Wagen sogar noch fuhr.
Ich weiß nicht, ob einer der Lastkraftwagen an der
Kurve über die Straßenkante in den Abgrund gestürzt
ist, was ich mir vorstellen könnte. Im Jemen überprüft
man so etwas jedenfalls nicht. Es sind schon zu oft Un-
schuldige zu Schuldigen gemacht worden. Alle Mit-
reisenden im Wagen riefen Allah in Dankesgebeten Abb. 300
Dieser Kanal im Paralleltal ist
viele Meter über der Talsohle
aus dem gewachsenen Felsen
des Bergrückens gearbeitet
worden und führte das Wasser
von einem talaufwärts liegen-
den antiken, inzwischen zer-
störten Staudamm zum Tunnel
und so ins Tal von Baynun.
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Titel
- Jemen
- Untertitel
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 308
- Schlagwörter
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix