Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geographie, Land und Leute
Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
Seite - 266 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 266 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften

Bild der Seite - 266 -

Bild der Seite - 266 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften

Text der Seite - 266 -

REISEBERICHT 266 Mich erinnerte die Diskussion an eine Begebenheit in Honduras 1985. Ein bekannter amerikanischer Archäologe, der lange in Copan in Honduras ge- graben hat, fragte mich nach meiner Meinung als Architekt. Er hatte weit entfernt vom antiken Zentrum der Maya Stadt Copan Grabungen durchgeführt und dort bei allen freigelegten Bauten immer nur drei Scharen von sorgfältig behauenen, rektangulierten Natursteinen im Sockelbereich vermörtelt gefunden. Er dachte bereits an eine Art von Bauskandal. Hatte man mit dem Bau einer ganzen Siedlung begonnen, sie dann aber nicht fertig gestellt? Ich riet ihm, sich das Gebäude seines Kollegen im nur 1,5 km entfernten Kleinstädtchen “Copan Rui- nas“ anzusehen. Bei diesem Gebäude war damals gerade ein etwa einen Quadratmeter großes Stück des Lehmverputzes samt Kalkschlemme-Überzugs im unteren Bereich der Wand abgefallen. Hier konnte man die Konstruktion sehr gut studieren. Bei der Basis- mauer handelte es sich offensichtlich um ein Relikt aus der Zeit der Maya-Klassik, bei dem vielleicht sogar seit der Maya-Klassik immer wieder der Aufbau in Bajareque erneuert worden war. Bajareque-Wände auf Steinsockeln gibt es auch dort bereits seit mehr als 2000 Jahren. Jedenfalls sah man bei dem Objekt in alter Tradi- tion über den drei Steinscharen sauber geformter, rektangulierter Natursteine deutlich die darüber an- schließende traditionelle Bajareque-Konstruktion. Hier bestand die Bajareque bereits aus rektangulierten, vertikalen Holzstehern mit aufgenagelten dünnen ho- rizontalen Holzlatten, die innen und außen aufgena- gelt waren. Früher wurden runde dünne Holzlatten mit Lianen an die Steher angebunden. Danach füll- te und stampfte man in den Zwischenraum feuchten Lehm und verputzte danach alles innen und außen bis über den gemauerten Sockel hinunter mit nassem Lehm. Diesem Lehm wurde mitunter auch etwas tro- ckenes Gras oder Stroh als Armierung beigemengt. Danach sah die Mauer wie eine reine Lehmwand aus, das Innenleben, das der Wand eine hohe Wi- derstandsfähigkeit gegen Erdstöße in einem seismisch so aktiven Gebiet wie Copan verleiht, war unsicht- bar. Nachdem der Putz trocken war, wurde als Finish noch eine weiße Kalkschlämme aufgetragen, die den Lehm gegen Regen relativ resistent macht. Der Stein- sockel diente dazu, das Aufsteigen von Feuchtigkeit insbesondere bei Schlagregen aus dem Untergrund zu verhindern. Auch hier zeigte sich eine Kontinuität in der tradier- ten Konstruktionsweise. Die Bajarequewände in der antiken Stadt Copan, die vor mehr als 1200 Jahren errichtet wurden, sind natürlich längst verrottet und nur säcke in Marib, die wir dort gesehen hatten, wohl ursprünglich entweder einen Lederverschluss oder einen Verschluss aus gedrechseltem Holz hatten. Sehr spät um ca. Mitternacht kam Ursula Dreibholz aus Wien am Flughafen in Sanaa an. Sie erreichte ihr Haus erst um etwa 0.30 Uhr und wurde vom Direktor des “American Institute of Yemeni Studies” (AIYS) Da- vid Waburton und dem französischen Archäologen Jean Françoise Breton abgeholt. Sie blieben noch zu einem Tee und so hatten wir noch bis 2.40 Uhr eine interessante Diskussion über Archäologie und archäo- logische Funde im Jemen. Dabei ging es beispielswei- se um eine von Archäologen neu entdeckte Konstruk- tionsweise bei Wänden im alten Schaabwa. Die sehr stark dimensionierten Mauern zeigen innen und au- ßen je eine Art Fachwerkkonstruktion. Beide Fachwer- ke sind zudem durch Verbindungshölzer quer durch das Mauerwerk miteinander in Abständen verbun- den. Die Wände erhalten dadurch eine Art Korsett, das dreidimensional durch die Wand vom äußeren zum inneren Fachwerk reicht. Die ganze Konstrukti- on steht gewöhnlich auf einem Steinsockel. Das war der archäologische Befund. Breton fragte mich, ob ich schon in irgendeiner Kultur eine solch eigenartige Konstruktionsweise von gemauerten Wänden mit drei- dimensionalen Fachwerken kennen gelernt hätte. Ich wies ihn auf ältere Bauten in der jemenitischen Hafenstadt Hodeida an der Küste des Roten Meeres hin, wo mir genau eine derartige Konstruktionsweise erst wenige Tage zuvor aufgefallen war. Ich hatte die Konstruktion sogar gezeichnet und auch mehr- fach fotografiert, weil sie mir ungewöhnlich erschien. Auch hier waren außen und innen die Ziegelwände durch differenzierte Riegelwandkonstruktionen fach- werkartig portioniert und diese Holzkonstruktion quer durch die Wand mit Hilfe von Querhölzern miteinan- der verbunden. Offenbar hat sich die antike Konst- ruktionsweise bis heute über mindestens 2000 Jahre erhalten und bewährt. Ich äußerte meine Vermutung, dass diese Konstruktionsweise vor allem im Fall von Erdbeben einen Totaleinsturz von Bauten verhindert oder zumindest verlangsamt und deshalb wohl von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Dieser Hinweis stieß auf Interesse. 2013 besuchte ich Äthiopien und lernte dort eine mit dieser Konstruktionsweise verwandte stark stabilisie- rende Konstruktion für ein relativ instabiles Trocken- mauerwerk aus Stein kennen. Dieses wird jedenfalls schon seit mindestens 2000 Jahren verwendet, was sowohl die Konstruktionen in den Reliefs der Hoch- hausstelen in Axum aus der Zeit zwischen dem 1. und 4. Jahrhundert n. Chr. wie auch der Sakralbau von Debre Damo aus dem 6. Jh. n. Chr. belegen.
zurück zum  Buch Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften"
Jemen Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
Titel
Jemen
Untertitel
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
Autor
Hasso Hohmann
Verlag
Verlag der Technischen Universität Graz
Ort
Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-85125-670-3
Abmessungen
20.0 x 27.0 cm
Seiten
308
Schlagwörter
Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
Kategorie
Geographie, Land und Leute

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorbemerkungen 7
    1. Reisemotive 9
    2. Reiseplanung 12
  2. Einige Tage Ägypten 17
    1. Sakkara 18
    2. Memphis 19
    3. Gizeh 20
    4. Kairo 21
    5. Ägyptisches Nationalmuseum 24
    6. Altstadt von Kairo 25
  3. Reise durch den Jemen 29
    1. Altstadt von Sanaa 33
    2. Kleidung von Männern und Frauen 42
    3. Die leichte Droge Kat 56
    4. Marib 60
    5. Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
    6. Säulen und ihre Kapitelle 74
    7. Flug ins Wadi Hadramaut 78
    8. Wasserhäuser 84
    9. Tarim 86
    10. Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
    11. Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
    12. Mausoleum in Al Ghurfa 107
    13. Schibam 108
    14. Seiyun 124
    15. Auskragungen und Vorspanneffekte 133
    16. Hureida 139
    17. Hadjarein 142
    18. Chrecher 142
    19. Sif 144
    20. Bienenhaltung in Amphoren 152
    21. Al Mukalla 157
    22. Fahrt nach Aden 165
    23. Aden 168
    24. Taiz 175
    25. Saada 195
    26. Schahara 202
    27. Fahrt nach Sanaa 209
    28. Amran 209
    29. Thulla 213
    30. Kaukaban 218
    31. Kuchlan 224
    32. Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
    33. Hodeida 233
    34. Zabid 236
    35. Hadjara 242
    36. Rauda 249
    37. Baynun 254
    38. Zurück entlang des Roten Meeres 268
  4. Siedlungsformen 273
    1. Schibam 273
    2. Hadschara 273
    3. Hadscharain 274
    4. Schahara 274
    5. Al Qurazihah, Afrikanischer Kral im Jemen 275
    6. Aden 276
  5. Bauformen 277
    1. Adobe-Lehmhochhäuser 277
    2. Saada-Lehmbauweise 278
    3. Schaabwa-Riegelwände 278
    4. Steinbauten 284
    5. Vorkrageffekte bei Lehmbauten 284
    6. Rundtürme mit aufgebauten Kleinpalästen 285
  6. Architekturdetails 287
    1. Kuppeln 287
    2. Gurtbögen 287
    3. Säulen, Pfeiler und ihre Kapitelle 288
    4. Verschachtelungen 288
  7. Apendix
    1. Bibliographie 292
    2. Abbildungsnachweis 294
    3. Anmerkung zu Ortsnamen 295
    4. Glossar 296
    5. Zu den Reisenden 302
    6. Dank des Autors 303
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Jemen