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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Eisenreich misst in der Folge die literarische Figur des FĂŒrsten Saurau und „seine ĂŒber 140 Seiten ausgegossene psychische Diarrhöe“ an der Wirklichkeit  – und kommt zu dem Schluss, dass Bernhard es, Ă€hnlich der „ganzen gegenstandslosen (und deshalb sich, irrtĂŒmlich, fĂŒr modern haltenden) Literatur“, nicht vermocht habe, „Wahrheit“ zu schildern.42 Wenige Tage nach Erscheinen der Besprechung im Spiegel riet Siegfried Unseld in einem Brief an Bernhard ausdrĂŒcklich, „sich von den Kritiken nicht beirren“ zu lassen, obschon er selbst „das Ausmaß der Ablehnung von Reich- Ranicki und Eisenreich nicht ganz verstĂ€ndlich finde“.43 Die Suhrkamp-Lektorin Anneliese Botond hatte dem Autor bereits eine Woche zuvor, unmittelbar nach der LektĂŒre von Eisenreichs Rezension, mitgeteilt, diese habe sie „ganz entsetz- lich deprimiert, und ich hatte nur noch den einen Gedanken, dass es Ihnen nicht ebenso geht“. Sie sei jedoch ĂŒberzeugt, [d]ass weder ein denkender noch ein nicht-denkender Mensch eine solche Rezen- sion schreibt, allenfalls einer, der etwas vom Tisch fegen möchte, möglichst ohne es anzulangen; dass der Herr Eisenreich Ihnen mit geschwungenem PrĂŒgel das Rezept einblĂ€uen möchte, wie Sie sich ehestens und mĂŒhelos auf das ‚urbane‘ Eisenreich- Taschenformat reduzieren können.44 In der GegenĂŒberstellung der beiden SolidaritĂ€tsbekundungen von Botond und Unseld zeigen sich nicht zuletzt die unterschiedlichen Tonlagen von Lektorin und Verleger; ganz offensichtlich imponierte Botonds energische Parteinahme Bernhard mehr als die Diplomatie Unselds  – das Ausscheiden der Lektorin aus dem Verlag sollte ihn zweieinhalb Jahre spĂ€ter schwer treffen.45 42 Ebd., S.  166. Vgl. zu Eisenreichs Rezension auch Franz Josef Görtz: Hier spukt natĂŒrlich Beckett. Thomas Bernhard und die Kritik. In: Text + Kritik (1974), H.  43, S.  36 – 44, hier S.  40 f. 43 Unseld an Bernhard, 8. 5. 1967. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  16), S.  54. Reich- Ranickis Rezension war wenige Tage vor jener Eisenreichs in der ZEIT erschienen. Vgl. Marcel Reich-Ranicki: Konfessionen eines Besessenen. In: DIE ZEIT, Nr.  17, 28. 4. 1967. 44 Anneliese Botond an Thomas Bernhard, 1. 5. 1967. In: Anneliese Botond: Briefe an Thomas Bernhard. Mit unbekannten Briefen von Thomas Bernhard. 1963 – 1971. Hg. v. Raimund Fellinger. Mattighofen: Korrektur 2018, S.  111. 45 Vgl. Bernhard an Botond, 7. 12. 1969. In: ebd., S.  171: „Noch habe ich die Tatsache, dass Sie aus dem Verlag weggegangen sind, nicht begriffen. Ich durfte mir die BeschĂ€ftigung mit dieser Tatsache nicht erlauben.“ Zur WertschĂ€tzung Bernhards fĂŒr Anneliese Botond vgl. Manfred Mittermayer: Thomas Bernhard. Eine Biografie. Salzburg, Wien: Residenz 2015, S.  147; Raimund Fellinger: Thomas Bernhard als MenschenfĂ€nger? In: Text + Kritik (42016), H.  43, S.  7 – 9; sowie Bernhards Brief an Unseld, 11. 5. 1969. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  16), S.  110: „Meine Lektorin A. B. ist der Pfahl, an den ich Schaf mich gern, meine ganze Schriftstellerei, anbinde.“ Vgl. auch die AusfĂŒhrungen in Raimund Fellinger: Nachwort. In: Botond: Briefe an Thomas Bernhard (Anm.  44), S.  193 – 200, bes. S.  197 – 200, der Botonds Rolle als Vermittlerin EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 37 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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