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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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liebgewonnenen Instanzen bĂŒrgerlicher Kultur ab 1967 demonstrativ das letzte Geleit geben wollten, jedenfalls gut ausgemacht.98 Andererseits erhellt eine kontras- tive LektĂŒre von Handkes Texten mit den im Umfeld des Kursbuchs ventilierten politisch-literaturĂ€sthetischen Positionen aber auch eine veritable Unvereinbar- keit der jeweiligen Argumentationen:99 Walter Boehlich, kurz zuvor noch Lektor im Suhrkamp Verlag, konstatiert in seinem Manifest AutodafĂ©, das im November 1968 als unpaginierter ‚Kursbogen‘ im Gegensatz zu Handkes Grablegung den Weg in die 15. Nummer des Kursbuchs fand, den Tod einer „bĂŒrgerliche[n] Kritik“, die die „bĂŒrgerliche[  ] Literatur“ stets „schulterklopfend begleitet“ habe;100 sein Ein- spruch zielt also, ebenso wie jener Handkes, auf eine unheilvolle, weil sich bloß selbst bestĂ€tigende Allianz von Literatur und Kritik ab. Doch wĂ€hrend Boehlich die Ohnmacht der traditionellen Kritik ausdrĂŒck- lich mit deren UnfĂ€higkeit in Verbindung bringt, „zu verstehen, daß es einen politikfreien Raum nicht lĂ€nger gibt“,101 ist es Handke gerade nicht um die Politi- sierung der Literaturkritik zu tun. Boehlichs Vorstellung einer Kritik, die „end- lich die gesellschaftliche Funktion jeglicher Literatur als das Entscheidende ver- steht und damit die kĂŒnstlerische Funktion als eine beilĂ€ufige erkennt“,102 steht Handke mit seiner ‚Kritik der Kritik‘ diametral gegenĂŒber. FĂŒr ihn speist sich das „Übel der Literaturkritik“  – so Handke schon 1964 in einem seiner ersten 98 Zu den damit einhergehenden Diskussionen bzw. zur Frage, ob im Kursbuch 15 tatsĂ€chlich der ‚Tod der Literatur‘ ausgerufen wurde, vgl. Marmulla: Enzensbergers Kursbuch (Anm.  97), S.  187 – 190 u.  360 f., Anm.  630; zum „Tod der Kritik“ vgl. auch Oliver Pfohlmann: Kleines Lexi- kon der Literaturkritik. Marburg: LiteraturWissenschaft.de 2005, S.  53 f.; Delius: Als die BĂŒcher noch geholfen haben (Anm.  78), S.  82 – 88; siehe außerdem Baumgart: Damals (Anm.  77), S.  203: „Das Selbstvertrauen, mit dem unsere neue Literatur Ende der fĂŒnfziger Jahre aufgebrochen war, schien verbraucht, schien brĂŒchig, ja krank geworden.“ 99 Zur Auseinandersetzung Handkes mit literaturĂ€sthetisch-politischen Positionen aus dem ‚Thinktank‘ des Kursbuchs vgl. Norbert Christian Wolf: Pop, Ästhetik und Politik 1969  – und ihr Nachspiel: Handke gegen/mit Jelinek. In: Literatur  – Politik  – Kritik. BeitrĂ€ge zur Öster- reichischen Literatur des 20.  Jahrhunderts. Hg. v. Harald Jele u. Elmar Lenhart. Göttingen: Wallstein 2014, S.  141 – 151. 100 Walter Boehlich: AutodafĂ©. In: Kursbuch (November 1968), Nr.  15, Kursbogen [unpag.]. Auch in: Texte zur Theorie der Literaturkritik. Hg. v. Sascha Michel. Stuttgart: Reclam 2008, S.  236 – 239. Vgl. dazu Sibylle Cramer: Literaturkritik. In: Machen  – Erhalten  – Verwalten. Aspekte einer per- formativen Literaturgeschichte. Hg. v. Burckhard DĂŒcker. Göttingen: Wallstein 2016, S.  61 – 68, hier S.  67: „Die Kassandrarufe aus [den] eigenen Reihen, die seit Walter Boehlichs AutodafĂ© an Zahl, Wut und Ernst zugenommen haben, sind ein Symptom fĂŒr die in der Infotainment- Gesellschaft drohende intellektuelle Selbstabschaffung der Literaturkritik.“ 101 Boehlich: AutodafĂ© (Anm.  100), [unpag.]. 102 Ebd. Vgl. zur Argumentation Boehlichs Marmulla: Enzensbergers Kursbuch (Anm.  97), S.  192 f., sowie ders.: VerĂ€nderung um 68. Enzensberger, die anderen und Peter Handke. In: Peter Handke. Analyse du temps. Hg. v. Mireille Calle-Gruber, Ingrid Holtey u. Patricia Oster-Stierle. Paris: Presses Sorbonne Nouvelle 2018, S.  227 – 238, hier S.  232 f. „ich kann mich damit schwer abfinden“: Kritik der Kritik als Werkpolitik50 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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