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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Rundfunkessays 103  – nicht primĂ€r aus deren „fadenscheinig gewordene[m] Kunst- werk-Begriff“,104 sondern sie erweist sich als Problem mangelnder SensibilitĂ€t fĂŒr die genuin literarische Funktion und Faktur eines Textes. Ein gemeinsamer Gegner hat in der bewegten Zeit der 1960er Jahre keineswegs einen Schulter- schluss der jungen Autoren zur Folge, ganz im Gegenteil.105 Die hier nur in AnsĂ€tzen skizzierten publizistischen KĂ€mpfe um Aufgaben und Verfahrensweisen von Literatur und Literaturkritik wurden nicht einfach entlang klar definierter Fronten  – hier Schriftsteller, dort Kritiker  – gefĂŒhrt.106 Vielmehr ver- suchten sich die Protagonisten der ideologisch heterogenen Fraktion der ‚Kritiker der Kritik‘  – im Sinne einer Konkurrenz innerhalb der ‚hĂ€retischen‘ Opposition 107  – auch und im Besonderen voneinander abzugrenzen, um die LegitimitĂ€t der je eige- nen Position zu unterstreichen. GrundsĂ€tzlich verwandte Ambitionen bedeuteten keineswegs ein kooperatives und geschlossenes Projekt einer neuen Generation von Autoren, sondern fĂŒhrten in der gesellschaftlich-kulturellen Umbruchsitua- tion der zweiten HĂ€lfte der 1960er Jahre vielmehr zu komplexen ideologischen Verscherungen und erbitterten GrabenkĂ€mpfen  – mit wechselnden Allianzen und teils von verschiedenen Seiten vereinnahmten theoretischen GewĂ€hrsleuten. 1968 veröffentlichte Peter Hamm im Hanser Verlag eine Anthologie zur Lage der Literaturkritik in Deutschland und stellte bereits in seiner „Vorbemerkung“ ein verbreitetes „Mißtrauen gegen Kritik und Kritiker“ fest, das sich ganz grund- sĂ€tzlich gegen deren „Anspruch“ richte, „Urteile anzugeben“.108 Diese Situation 103 Peter Handke: „BĂŒcherecke“ vom 21. 12. 1964. In: P. H.: Tage und Werke (Anm.  31), S.  189 – 197, hier S.  190. Dazu auch Kap.  III, Abschnitt „Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vor- arbeiten im Radio“. 104 Boehlich: AutodafĂ© (Anm.  100), [unpag.]. 105 Vgl. dazu auch Delius: Als die BĂŒcher noch geholfen haben (Anm.  78), S.  85; Lorenz: Die Öffentlichkeit der Literatur (Anm.  26), S.  51. Zu den diesbezĂŒglichen Diskussionen und ideo- logischen Differenzen vgl. etwa das folgende, 1969 aufgezeichnete Interview: Hartmut Sander/ Horst Tomayer: Subversive Dialoge. Peter Handke ĂŒber Berliner Subkultur. In: Abend-Zeitung, 1. 8. 1969. 106 Dabei ist zu bemerken, dass auch die Riege der Kritiker keineswegs eine in sich homogene Clique darstellte, was nicht zuletzt mit unterschiedlichen ‚Generationen‘ zu tun hatte. Das UngenĂŒgen an der Literaturkritik hatte sich Anfang der 1960er Jahre noch vorrangig an konservativen Alt- Kritikern wie Friedrich Sieburg (1893 – 1964) entzĂŒndet  – wofĂŒr die ‚Gartenzwerg-AffĂ€re‘ als anek- dotische Verdichtung gelten kann (vgl. Pfohlmann: Literaturkritik in der Bundesrepublik [Anm.  81], S.  161 f.). Die Angriffe von Handke und anderen jungen Intellektuellen richteten sich bereits gegen eine neue, im Kontext der Gruppe 47 zu Macht und Einfluss gekommene Generation, von der nur Hans Mayer (*1907) ein Geburtsdatum vor 1920 aufwies: Marcel Reich-Ranicki (*1920), Walter Höllerer (*1923), Walter Jens (*1923), Joachim Kaiser (*1928), Reinhard Baumgart (*1929). 107 Vgl. zum kultursoziologischen Begriff der ‚HĂ€resie‘ Bourdieu: Die Regeln der Kunst (Anm.  6), S.  322. 108 Peter Hamm: ‚Kritik muß sein‘. Vorbemerkung. In: Kritik  – von wem  / fĂŒr wen  / wie (Anm.  65), S.  7 – 10, hier S.  7 f. Der Umschlag des Bandes zeigt eine Karikatur des Kritikers als Hund  – ein Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 51 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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