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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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DarĂŒber hinaus wird in Auseinandersetzungen wie diesen auch der legitime Bezug auf historische wie zeitgenössische philosophische Diskurse und Denk- schulen verhandelt: In einer als Gedicht ausgewiesenen Liste „[z]itierfĂ€hige[r] Namen im Kulturbetrieb“ hat Peter Handke als Replik auf Peter Hamms sich nacheinander auf Marx, Brecht, Karl Kraus, Benjamin und Barthes berufende Polemik dessen rhetorische Technik des ostensiven wie extensiven name drop- pings karikierend vorgefĂŒhrt. Handkes Liste verzeichnet sowohl Adorno, Barthes, Brecht und Godard als auch Lenin, Malcolm X, Mao und Karl Marx.122 Auf die theoretischen EntwĂŒrfe Roland Barthes’ etwa bezogen sich Handke und Hamm gleichermaßen, sie funktionalisierten die Thesen des französischen Kulturtheo- retikers aber jeweils in ihrem Sinne und brachten sie dabei ein ums andere Mal auch gegen den jeweils Anderen in Stellung.123 Anhand der Kontroverse zwischen den spĂ€teren WeggefĂ€hrten Hamm und Handke lĂ€sst sich exemplarisch zeigen, wie Akteure im literarischen Feld die eigene Position durch bestĂ€ndige Umgruppierungen und Neuordnungen etablierter Hierarchien und Verteilungsstrukturen zu stĂ€rken und zu plausibili- sieren versuchen: einerseits durch den Vorwurf, der Gegner agiere konservativ und unreflektiert reaktionĂ€r, andererseits durch die Einschreibung der eigenen Praxis in eine ehrenwerte Genealogie kritischen Bewusstseins.124 Dass Hamm nur ein Jahr, nachdem er Hellmuth Karasek vorgeworfen hatte, in Handkes Lager â€šĂŒbergelaufen‘ zu sein,125 Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1970) zum Erwiderung auf Peter Handkes Aufsatz „Totgeborene SĂ€tze“. In: DIE ZEIT, Nr.  50, 13. 12. 1968. 122 Peter Handke ĂŒber Peter Handke (Anm.  117), S.  51. Zur Praxis des name droppings im Kulturbe- trieb vgl. auch Peter Handke: Namen als Beweise. In: Das große Eierbuch. Hg. v. Ulrich Raschke u. Heinz Jacobi. Frankfurt a. M.: Euphorion 1970, [unpag.], wo die Liste aus der Polemik gegen Hamm geringfĂŒgig verĂ€ndert noch einmal abgedruckt wurde; im Vergleich zur ursprĂŒnglichen AufzĂ€hlung kamen John Lennon, Claude LĂ©vi-Strauss, Herbert Marcuse und Andy Warhol neu hinzu, wĂ€hrend Adorno und Ernst Bloch wegfielen. 123 Vgl. etwa Peter Handke: Marcel Reich-Ranicki und die NatĂŒrlichkeit. [1968] In: P. H.: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms (Anm.  85), S.  203 – 207, hier S.  205 f.; Hamm: Der Großkritiker (Anm.  84), S.  32; ders.: Der neueste Fall von deutscher Innerlichkeit (Anm.  113), S.  44; Hamm: Der Dramaturgie dritter Teil (Anm.  120).  – Selbst Marcel Reich-Ranicki: Lauter Verrisse. Mit einem einleitenden Essay. MĂŒnchen: Piper 1970, S.  40 u.  177, nennt Barthes als GewĂ€hrsmann. Zu Handkes Barthes-Rezeption vgl. Kap.  IV, Abschnitt „Princeton 1966 und die Folgen“. 124 Zu erwĂ€hnen ist, dass Hamm wenige Monate vor seiner harschen Polemik, im MĂ€rz 1969, in einer Kritik zu Handkes StĂŒck Das MĂŒndel will Vormund sein (bei Hamm fĂ€lschlich „Das MĂŒndel will Vormund werden“) zwar ebenfalls EinwĂ€nde erhoben, diese sich jedoch auf die TheaterĂ€sthetik eines konkreten Textes und nicht auf Handkes Image oder seine ideologische Position bezogen hatten. Vgl. Peter Hamm: Nackte Schauspieler, stummes StĂŒck. In: Neues Forum 16 (MĂ€rz 1969), H.  183/I, S.  183 – 184. 125 Hamm: Der neueste Fall von deutscher Innerlichkeit (Anm.  113), S.  43: „Hellmuth Karasek meinte, bevor er zu Handke ĂŒberlief, in einer Kritik des Romans ‚Die Hornissen‘, daß Handke sich stets ‚den Eindruck erschleicht, vollkommen up to date zu sein‘.“ Hier wird von Hamm „ich kann mich damit schwer abfinden“: Kritik der Kritik als Werkpolitik54 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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