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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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werden, ja sich dem „Kreislauf aus Einordnungen und Urteilen“,32 wie es in Hand- kes Nachmittag eines Schriftstellers (1987) heißt, ein fĂŒr alle Mal zu entziehen. Dementsprechend ist der Protagonist der ErzĂ€hlung, nachdem er zuvor geglaubt hatte, in einer Zeitung auf „seinen Namen“ gestoßen zu sein, „[a]nders als frĂŒher“ nicht enttĂ€uscht, sondern „erleichtert“, „sich geirrt zu haben“.33 Die Konsequenz einer solchen Verweigerung wĂ€re die demonstrative Nicht- beachtung der journalistischen Kommentierung der eigenen BĂŒcher, die Kon- zentration auf das Schreiben als erfĂŒllende, selbstgenĂŒgsame TĂ€tigkeit, ohne an den daraus erwachsenden Debatten zu partizipieren, ja ohne sie auch nur wahr- zunehmen. „Erfolg wĂ€re, wenn ich mein Manuskript einem Verleger schicke und der nicht lang fragt; er setzt es, druckt es, das finde ich eigentlich schon den ganzen Erfolg“, so Bernhards Beteuerung im Sommer 1980: „Es wĂŒrde mir genĂŒgen, möglichst korrekt mit möglichst wenig Druckfehlern, möglichst einfach, ohne graphische Kinkerlitzchen gedruckt zu werden. Und daß ich leben kann. Alles andere brauch’ ich nicht. Das ist mir eher immer grauslich, was nachher kommt.“ (TBW 22.2, 179 f.) Bereits 1971 hatte er sich AndrĂ© MĂŒller gegenĂŒber in Ă€hnlicher Weise geĂ€ußert: „Wenn man das dann gedruckt sieht, als Buch, mit einem Deckel, schön gebunden, das gefĂ€llt mir. Aber eigentlich ist es dann schon vorbei. Von mir aus mĂŒĂŸte von jedem Buch nur ein einziges Exemplar gedruckt werden: fĂŒr mich.“ 34 Ganz deutlich steht diese Haltung, die ein Schreiben um des Schreibens willen im Blick hat, mit dem Wunsch nach Anerkennung und Wirkung des eigenen Tuns, nicht zuletzt in der Literaturkritik, in Widerspruch. Das „Ausstrahlen, und zwar nicht nur weltweit, sondern universell“ (TBW 22.2, 320), das Bernhard 1986 als Maxime seiner Autorenexistenz formuliert hat, ist, wie ihm selbst bewusst war, nicht ohne die KrĂ€fte, Akteure und Mechanismen des literarischen Feldes zu bewerkstelligen. Wer von sich reden machen will, von dem muss zunĂ€chst einmal die Rede sein.35 „Zeitungen haben mich immer fasziniert, von meiner Jugend bis heute. Es ist mir kaum ertrĂ€glich, einen Tag ohne Zeitung zu verbringen“, so Bernhard im letzten ausfĂŒhrlichen GesprĂ€ch, das zu Lebzeiten des Autors publiziert wurde (TBW 22.2, 336); „die regelmĂ€ĂŸige LektĂŒre von Zeitungen, der er sich mit Vor- liebe im Kaffeehaus hingab“, sei, so der Bernhard-Biograph Manfred Mittermayer, 32 Ebd., S.  36 f. 33 Ebd., S.  37. 34 AndrĂ© MĂŒller: Im GesprĂ€ch mit Thomas Bernhard. Weitra: Bibliothek der Provinz 1992, S.  24. 35 Oder, wie Otto Lorenz: Pro domo  – Der Schriftsteller als Kritiker. Zu Peter Handkes AnfĂ€ngen. In: Literaturkritik  – Anspruch und Wirklichkeit. DFG-Symposion 1989. Hg. v. Wilfried Barner. Stuttgart: Metzler 1990, S.  399 – 414, hier S.  400, festhĂ€lt: „Literatur wie Literaturkritik stellen Öffentlichkeit nicht autonom her, sondern gehen, auch wenn die Autoren das gern abstreiten, aus ihr hervor.“ Vom Zeitungswahnsinn bedroht 71 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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