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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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mit allen BlĂ€ttern sie sind schauerlich und werden doch gelesen (TBW 20, 208) Wenige Monate vor der Publikation von Elisabeth II., am 20.  Februar 1987, wandte sich Bernhard mit einem Leserbrief an das „Sehr geehrte[  ] Feuilleton“ der SĂŒd- deutschen Zeitung, um einige seines Erachtens falsche Angaben in einer Opern- kritik zur AuffĂŒhrung von Peter Ronnefelds Nachtausgabe zu korrigieren (TBW 22.1, 686). Nach umfĂ€nglichen ErlĂ€uterungen, die unter anderem seine eigene Karriere als SĂ€nger zum Gegenstand haben, schließt Bernhard den Leserbrief mit einer fĂŒr den vorliegenden Zusammenhang charakteristischen Wendung: Er bezeichnet die SĂŒddeutsche als eine „schauerliche“ Zeitung, die ihm freilich „jeden Tag ein ganz und gar singulĂ€res VergnĂŒgen“ bereite (TBW 22.1, 688).42 Die geschilderte ZwiespĂ€ltigkeit des Autors mit Blick auf Feuilleton und Zeitung fin- det hier, ironisch getönt, ihren exemplarischen Ausdruck. Thomas Bernhards Begeisterung fĂŒr das Medium Zeitung hat Peter Handke nie geteilt  – ganz im Gegenteil: Beinahe sein gesamtes Werk, die poetologisch- selbstreflexiven wie die fiktionalen Texte, durchzieht die nachdrĂŒckliche War- nung vor den negativen EinflĂŒssen des Journalismus. Sich selbst hat er Mitte der 1970er Jahre im Journalband Die Geschichte des Bleistifts als einen „vom Zei- tungswahnsinn Bedrohte[n]“ charakterisiert.43 Das Interesse des Autors, dessen Vorbehalt sich auf Printmedien und Television gleicher maßen erstreckt,44 gilt dementsprechend nicht neuen „Empfangsschirme[n] fĂŒr Nachrichten“, sondern „Nachrichtenabhalteschirme[n]“,45 die den ruhebedĂŒrftigen poeta vates vor den Zumutungen medialer Dauerinformation bewahren.46 42 Vgl. dazu: Sehr geschĂ€tzte Redaktion. Leserbriefe von und ĂŒber Thomas Bernhard. Hg. v. Jens Dittmar. Wien: Edition S 1991, S.  170 – 177; Manfred Mittermayer: Thomas Bernhard. Eine Bio- grafie. Salzburg, Wien: Residenz 2015, S.  109 f., bzw. den Kommentar in TBW 22.1, 882 f. 43 Peter Handke: Die Geschichte des Bleistifts. Salzburg, Wien: Residenz 1982, S.  24. 44 Vgl. dazu, ohne Handkes Auseinandersetzung mit dem Fernsehen hier genauer verfolgen zu können, den ‚Zwillingsaphorismus‘ im Journalband Phantasien der Wiederholung: „Die Literatur setzt mir die Lesebrillen auf“ vs. „Das Fernsehen brennt mir die Seele aus“ (Handke: Phantasien der Wiederholung [Anm.  21], S.  89 f.); siehe auch Handke: Am Felsfenster morgens (Anm.  15), S.  14: „Zeitgenössisches Schattendasein: vor dem Fernseher“. 45 Handke: Die Geschichte des Bleistifts (Anm.  43), S.  201. Entsprechend vermerkt Handke noch gut drei Jahrzehnte spĂ€ter in einer ‚Aufwachnotiz‘ des Bandes Ein Jahr aus der Nacht gesprochen eine, so hat es den Anschein, wĂŒnschenswerte Vorstellung, womit nicht zuletzt die andauernde Bedeutung dieser Antipathie in Handkes Werk und Denken dokumentiert ist: „Guten Morgen, liebe Hörer: Hier ist der SaarlĂ€ndische Rundfunk mit keinen Nachrichten“ (Peter Handke: Ein Jahr aus der Nacht gesprochen. Salzburg, Wien: Jung und Jung 2010, S.  180). 46 Zu Handkes „Habitus des ‚poeta vates‘“ vgl. Herwig Gottwald/Andreas Freinschlag: Peter Handke. Wien u. a.: Böhlau 2009, S.  87 f., hier S.  87: „Handke stilisiert sich selbst  – analog zu Unfreundliche Betrachtungen: EinwĂ€nde gegen die Literaturkritik76 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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