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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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dem Papier seien so entstanden, wie durch das Hineinhauchen von Besoffenen in den Testsack sich dieser dunkel fĂ€rbt.“ 53 Und kurz darauf, im Besonderen auf die Akteure des journalistischen Betriebs gemĂŒnzt: „Dem Journalisten zuhö- ren: als wĂŒrde einem das LebensgefĂŒhl ganz und gar durch seine Rede entzogen, bis zur völligen Wesenlosigkeit, gerade dadurch, daß er die ganze Zeit dieses LebensgefĂŒhl im Mund fĂŒhrt“.54 Als wirke dessen Sprache kontagiös, als stelle sie ein ansteckendes Übel dar, formuliert Handke hier nicht nur eine Kritik an den Schreibweisen des Journalismus, sondern deutet darĂŒber hinaus den ver- heerenden Effekt der inkriminierten „Rede“ auf seine eigene Existenz als Autor, auf seine dezidiert ‚dichterische‘ Sprache an; „immer hĂ€ufiger die Idee“, heißt es in Das Gewicht der Welt weiter, „daß die Nachrichtenwelt  [
] einem das Bewußtsein vom eigenen Leben nimmt“.55 Auch das in den 1980er Jahren entstandene Journal Am Felsfenster morgens, das die Entstehung der Wiederholung (1986) und anderer Texte begleitet und kommentiert, durchziehen Beobachtungen, die nicht nur Handkes „Verachtung des Zeitungslesens“ 56 dokumentieren, sondern auch von einem grundlegenden GefĂŒhl der Bedrohung der eigenen schriftstellerischen Praxis durch die Sprache der Zeitungen handeln. Die Notate, die sich nachgerade leitmotivisch durch den gesamten Band ziehen, können hier lediglich in einer knappen Auswahl wieder- gegeben werden: „Schrumpfherz vom Zeitunglesen: welker, schwerer, blutleerer Beutel“ 57  – „Ich wiederhole: Die Zeitungen nehmen mir Ernst und Schauen; sie nehmen mir, mit all den ‚ernsteren‘ Nachrichten, den ersten Blick (seit 1 Woche habe ich keine Zeitung gelesen)“ 58  – „Durch die BeschĂ€ftigung mit dem Bekannten (Zeitung) versĂ€ume ich das Benennbare; ich kann, im und nach dem Zeitung- lesen, nicht mehr benennen“ 59  – „Beim Zeitunglesen entfĂ€llt mir, augenblicks, alles, worĂŒber ich mich gerade noch gefreut habe“.60 Im Zentrum von Handkes Notaten steht die Beobachtung, durch die For- melhaftigkeit der Pressesprache in seiner Profession als Autor behindert und geschwĂ€cht zu werden. Es handelt sich dabei um ein PhĂ€nomen, das er auch an anderen Schriftstellern, an Konkurrenten im literarischen Feld feststellen 53 Peter Handke: Das Gewicht der Welt. Ein Journal (November 1975  – MĂ€rz 1977). Salzburg: Residenz 1977, S.  264. 54 Ebd., S.  279. 55 Ebd., S.  291. Vgl. dazu auch Peter Handke/Peter Hamm: Es leben die Illusionen. GesprĂ€che in Chaville und anderswo. Göttingen: Wallstein 22008, S.  68: „Das vermeide ich seit zwanzig Jahren; vor dem Ans-Schreiben-Gehen Zeitung zu lesen.“ 56 Wagner: Handke als Leser (Anm.  22), S.  144. 57 Handke: Am Felsfenster morgens (Anm.  15), S.  47. 58 Ebd., S.  100. 59 Ebd., S.  117. 60 Ebd., S.  143. Unfreundliche Betrachtungen: EinwĂ€nde gegen die Literaturkritik78 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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