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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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In den folgenden Jahren sollte sich das VerhĂ€ltnis zwischen Bernhard und Canetti, das als „Versprechen einer großen, ungewöhnlichen Freundschaft“ begonnen hat- te,137 zusehends verschlechtern. Hatte sich Bernhard 1966 noch als Jury mitglied des Bremer Literaturpreises fĂŒr die Vergabe der Auszeichnung an Canetti ein- gesetzt 138 und vier Jahre spĂ€ter Siegfried Unseld die Aufnahme von Canettis philosophischem Hauptwerk Masse und Macht in die „Bibliothek Suhrkamp“ empfohlen,139 entwickelte sich mit den Jahren zwischen Bernhard und Canetti ein Konflikt, der im Grunde, wie nicht selten im Literaturbetrieb, auf Neid und gekrĂ€nkter Eitelkeit beruhte  – und das auf beiden Seiten.140 In Meine Preise hat Bernhard darĂŒber geklagt, im MĂ€rz 1968 nicht mit dem Großen Österreichischen Staatspreis fĂŒr Literatur, sondern nur mit dem „soge- nannten Kleinen Staatspreis“ ausgezeichnet worden zu sein. Lediglich den „Staats- preis fĂŒr Romane“  – so die korrekte Bezeichnung der Auszeichnung  – zu erhalten, habe er als „DemĂŒtigung“ empfunden (TBW 22.2, 408 f.).141 Der Große Öster- reichische Staatspreis fĂŒr Literatur ging in diesem Jahr indes ausgerechnet an Elias Canetti.142 Kurz darauf wiederholte sich die Situation unter gegenteiligen Vorzeichen: Dass dem 26  Jahre jĂŒngeren Bernhard 1970 (und damit zwei Jahre vor Canetti) der Georg-BĂŒchner-Preis zuerkannt wurde, stellte fĂŒr den arrivier- ten Autor einen veritablen Affront dar.143 Im selben Jahre notierte er mit einiger Verbitterung, Bernhard stehe zusehends unter dem „Einfluss“ Samuel Becketts, als ich dachte“, seine Rezensionen als „dumm und ordinĂ€r“ bzw. als „armselige Elaborat[e]“ (Canetti: Ich erwarte von Ihnen viel [Anm.  135], S.  560, 629 u.  633). 137 Prutti: FestzertrĂŒmmerungen (Anm.  90), S.  33. 138 Vgl. die Schilderung von Prutti (ebd., S.  93 – 95); Mittermayer: Thomas Bernhard [2015] (Anm.  42), S.  160. Bernhard hat auf diesen Umstand in Meine Preise hingewiesen (vgl. TBW 22.2, 393 f.). 139 Vgl. Unseld: Reisebericht Schweiz–Österreich, 14. – 21.  Juni 1970. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  11), S.  179: „Zwei Empfehlungen von Thomas Bernhard fĂŒr die Bibliothek Suhrkamp: Canetti, eine Auswahl aus ‚Masse und Macht‘, eventuell auch das Ganze prĂŒfen.  [
] Ferner wĂŒrde Thomas Bernhard gerne eine Auswahl der Gedichte von Trakl fĂŒr die Bibliothek Suhrkamp vornehmen.“ 140 Eine Rekonstruktion der Beziehung der beiden Autoren liefert Hanuschek: Elias Canetti (Anm.  136), S.  582 – 587; die folgenden AusfĂŒhrungen stĂŒtzten sich ganz wesentlich auf diese Biographie. Vgl. dazu auch Prutti: FestzertrĂŒmmerungen (Anm.  90), S.  32 – 36. 141 Brigitte Prutti hat die HintergrĂŒnde der Preisverleihung im Detail aufgearbeitet und dabei u. a. gezeigt, dass Bernhards Vorwurf, den ‚kleinen Staatspreis‘ â€žĂŒber dreißig“ bekommen zu haben, sei „eine ungeheure Gemeinheit“ und „UnverschĂ€mtheit“ der Jury gewesen (TBW 22.2, 411 f.), mit der tatsĂ€chlichen Vergabepraxis nicht in Einklang zu bringen ist, lag Bernhard im Alter von 37  Jahren doch statistisch unter dem Durchschnitt von 39,5  Jahren fĂŒr die Zeitspanne 1950 – 1969 (vgl. Prutti: FestzertrĂŒmmungen [Anm.  90], S.  119). 142 Vgl. ebd., S.  113. 143 Zur Vergabe des BĂŒchner-Preises an Canetti vgl. Judith S. Ulmer: Geschichte des Georg- BĂŒchner- Preises. Soziologie eines Rituals. Berlin, New York: de Gruyter 2006, S.  252 f. Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 99 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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