Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Seite - 113 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 113 - in Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik

Bild der Seite - 113 -

Bild der Seite - 113 - in Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik

Text der Seite - 113 -

aufgeladen, einen wichtigen Angelpunkt der ArgumentationsfĂŒhrung des Aufsat- zes dar, indem Bernhard durch die Gleichsetzung von Getreide- und TheaterdĂŒrre den Vorrang der kĂŒnstlerischen Diskussionen gegenĂŒber den agrikulturellen provokant in Zweifel zieht: „[D]ie Bauern und die sogenannten Landwirte und die Theaterkritiker und die sogenannten Theaterkritiker zwischen Flensburg und Bozen haben viel mehr gemeinsam, als sich ein einfacher feuilletonistisch ver- dorbener und verunstalteter Kopf ausmalen kann oder denken lĂ€ĂŸt.“ (TBW 22.1, 613)188 Dass sowohl die „Produkte der Bauern“ als auch jene der „Theaterkritiker“ mitunter zu Magenverstimmungen fĂŒhren (TBW 22.1, 611), lasse, so Bernhard, auf Ähnlichkeiten in den beiden Feldern schließen. Hier wie dort gehorche die Rhetorik der ‚DĂŒrre‘ einem KalkĂŒl, das nicht die Verbesserung der QualitĂ€t der Produkte, sondern den Gewinn der „Getreide- wie der Feuilletonsilobesitzer“ (TBW 22.1, 613) im Blick habe. Bernhard, der schon 1968 die „agronomische[  ] SchlĂ€ue“ seines Verlegers mit „Bewunderung“ zur Kenntnis genommen hatte 189 und als seine Berufsbezeichnung wiederholt „Landwirt“ angab,190 wusste, wovon er sprach.191 Nach etwa einem Drittel des Beitrags fĂ€llt Bernhard ein vorlĂ€ufiges, fĂŒr beide Bereiche gleichermaßen vernichtendes Urteil, das in einem etwas zwielichtigen Binnenreim kulminiert: „Der Ruf nach der Gesundheitspolizei dröhnt uns ja tatsĂ€chlich fortwĂ€hrend in den Ohren, und mit den Vergifteten der Bauern und der sogenannten Theaterkritiker sind die SpitĂ€ler ĂŒberfĂŒllt. Es ist ganz einfach und ĂŒberall zwischen Flensburg und Bozen zum Kotzen!“ (TBW 22.1, 611 f.) Die 188 Huntemann: Artistik und Rollenspiel (Anm.  10), S.  195, zufolge ist Bernhards Beitrag zur DĂŒrre dermaßen „stilisiert“, dass er als konkreter Diskussionsbeitrag „nicht mehr ernstzunehmen“ sei. 189 Bernhard an Unseld, 22. 7. 1968. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  11), S.  80. 190 Vgl. die Abb. in Hennetmair: Ein Jahr mit Thomas Bernhard (Anm.  145), S.  216. Siehe auch Unseld: Reisebericht Israel–Iran–Ägypten, 29.  April  – 12.  Mai 1977. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  11), S.  516: „Das Zusammensein mit Thomas Bernhard war ungemein freundlich. Er nahm auch an Exkursionen teil, aber freilich reichte die Basis seiner Gemein- samkeitsbereitschaft nicht allzu weit. Er zog sich gerne auf sich zurĂŒck, mit dem Hinweis, daß sein Beruf (in seinem Paß steht als Beruf ‚Landwirt‘) langen kulturellen Exkursionen nicht standhĂ€lt.“ Dazu Janko Ferk: Bauer Bernhard. Beamter Kafka. Dichter und ihre Zivilberufe. Wien u. a.: Styria premium 2015, S.  115 – 129, bes. S.  126 f., sowie die Erinnerungen von Rudolf Asamer: In zwanzig Minuten war der Verkauf abgeschlossen. In: Was reden die Leute (Anm.  36), S.  136 – 139. 191 Einige Jahre spĂ€ter wird der Musikphilosoph Reger in Alte Meister (1985) Martin Heidegger als „urdeutsche[n] PhilosophiewiederkĂ€uer“, ja als „unablĂ€ssig trĂ€chtige Philosophiekuh“ bezeich- nen, „die auf der deutschen Philosophie geweidet und darauf jahrzehntelang ihre koketten Fladen fallen gelassen hat“: „Heute ist Heidegger noch immer nicht ganz durchschaut, die Heideggerkuh ist zwar abgemagert, die Heideggermilch wird aber noch immer gemolken“ (TBW 8, 56 f.). Die Herabstimmung der Bedeutung des polemisch attackierten ‚hohen‘ Gegenstands funktioniert auch hier ĂŒber den Vergleich mit der SphĂ€re des Agronomisch-Ruralen. Der Begriff des „Philo- sophiewiederkauer[s]“ (TBW 13, 71) wiederum findet sich bereits in Ja (1978). Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 113 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
zurĂŒck zum  Buch Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik"
Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Strategen im Literaturkampf