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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Einschätzung mancher Kritiker, wonach sich das Theater Mitte der 1970er Jahre in einer veritablen Krise befand, kontert Bernhard mit dem  – durchaus zutreffen- den  – Hinweis, wonach die Rede von der Krise des Theaters dessen Geschichte und Entwicklung bereits seit langer Zeit begleitet und damit an Triftigkeit einge- büßt habe  – eine Beobachtung, die er mit Verweisen auf Alfred Kerr und Robert Musil, „die beiden eitlen heroischen Theaterberserker“ (TBW 22.1, 612), unter- mauert. Die „Einträglichkeit dieser Behauptung“, der Umstand, dass die Kritiker „ihre Dürre immer recht gut verkauft“ hätten (TBW 22.1, 612 f.), habe dazu bei- getragen, dass die Diagnose noch immer fröhliche Urständ feiere. Zudem hatte Bernhard seit der Hamburger Uraufführung von Ein Fest für Boris im Juni 1970 mit Der Ignorant und der Wahnsinnige (1972), Die Jagdgesellschaft (1974), Die Macht der Gewohnheit (1974), Der Präsident (1975), Die Berühmten (1976) und Minetti (1976) eine ganze Reihe von Bühnenstücken vorgelegt, die er keineswegs unter das Verdikt der Dürre gestellt sehen wollte. Seine Polemik war also durch- aus auch als eine Intervention pro domo zu verstehen. Gleichwohl stellen Bernhards Äußerungen weniger einen Kommentar zum zeitgenössischen Theater als vielmehr zur eingeschliffenen Rhetorik der Theater- kritik dar, für die er die damaligen Debatten im Feuilleton der Frankfurter All- gemeinen Zeitung als symptomatisch anführt: Aber hier geht es nicht darum  […], meine Bewunderung für diejenigen als Hymnus ans Feuilleton der F. A. Z. festzunageln, die aus der Dürre ihr großes Geschäft und ihren legendären Lebenszweck ziehen, ich bin kein Theaterluther, und dazu fehlt mir auch der dazu unbedingt notwendige Ernst [!], aber es ist schon erschreckend und es macht einen schon frösteln, wenn ein Kopf in der F. A. Z. lesen muß, wie sich ein paar andere Köpfe in der F. A. Z. mit von Dürreangst furchtbar verzerrter Kompetenz- miene  […] die Köpfe darüber zerbrechen, ob und in was für einem katastrophalen Ausmaß eine Dramendürre in Deutschland herrsche. Und in Österreich und in der Schweiz selbstverständlich. (TBW 22.1, 613) Die historischen Bezugspunkte seiner Überlegungen bleiben indes, wie öfter bei Bernhard, relativ indifferent. Die Stelle aus einem Text Robert Musils etwa, die er vorgibt, „wörtlich“ zu zitieren (TBW 22.1, 612), lässt sich in dessen Schriften, selbst mithilfe der digitalen Klagenfurter Ausgabe, nicht nachweisen. Zwar ist in Musils Essay Der „Untergang“ des Theaters, 1924 im Neuen Merkur erschie- nen, von einer „Theater- und Bildungskrisis“ die Rede,192 nicht jedoch von der 192 Musil: Der „Untergang“ des Theaters (Anm.  73), S.  1126. Töteberg: Die Dürre der Theaterland- schaft (Anm.  187), S.  65, vollzieht Bernhards Einschätzung zustimmend nach, bleibt einen kon- kreten Musil- bzw. Kerr-Beleg aber ebenso schuldig: „Bauern und Theaterkritiker hätten, im Schatten von Getreidesilos und Stadttheatern, ihr Gerede von der Dürre immer gut verkauft. Unfreundliche Betrachtungen: Einwände gegen die Literaturkritik114 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. Einsprüche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wären nicht so viele böse Worte zu verlieren …“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, Verbündete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche Schwätzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der Bühne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der Dürre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres Geschäft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚Natürlichkeit‘ 150
    3. Die „ästhetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses Unglück) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshändige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. Schnüffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der Lektüre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut Färber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke über/mit Ödön von Horváth 259
    7. Keine Axt für das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, Kofferträger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekärer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. Primärliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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