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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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nur gegen die ‚Beschreibungsimpotenz‘ der Autorinnen und Autoren, sondern auch gegen die in der Gruppe 47 praktizierte Form der Literaturkritik wendeten.220 Die von Handke fĂŒr das steiermĂ€rkische Regionalradio gestaltete „BĂŒcherecke“- Sendung vom 21.  Dezember 1964 widmet sich gleich eingangs, noch bevor Cesare Paveses Roman Der schöne Sommer vorgestellt wird, einer Art von ‚Metakritik‘. Nach der Wiedergabe der ersten SĂ€tze des Romans tritt der Rezensent gewisser- maßen einen Schritt zurĂŒck und fragt danach, wie denn in der Folge ĂŒber das vorliegende Buch zu reden sei: Es stellen sich nun nach der LektĂŒre des Buches sogleich viele Worte zur Wahl. Gedan- kenlos fallen einem fĂŒr die Sprache des Romans etwa die Worte ‚klar‘, ‚anmutig‘, ‚ein- fach‘, ‚streng‘, ‚sparsam‘ und ‚schlicht‘ ein; ebenso automatisch kommen die Worte fĂŒr die Wiedergabe der erzĂ€hlten Geschichte: Entwicklung, MĂ€dchen, Sommer, Frau, Liebe, Erfahrung, EnttĂ€uschung.221 In der zweiten zitierten AufzĂ€hlung klingt die strukturale ErzĂ€hltextanalyse an, wie sie Vladimir Propp in seiner Morphologie des MĂ€rchens (1928) entwor- fen hat; sie korrespondiert mit Handkes eigenen Arbeiten der 1960er, die, wie Der Hausierer, die „ErzĂ€hlgrammatik“ bestimmter Genres offenzulegen versu- chen.222 PrimĂ€r wendet sich die Kritik des jungen Rezensenten aber gegen die ‚Gedankenlosigkeit‘ einer journalistischen Sprache, die auf literarische Texte mit automatischen Reflexen und nicht mit individueller analytischer Akribie reagiere: „Darauf kann sich jeder, der dies hört“, so Handke in Bezug auf die genannten Begriffe, „wohl ohne MĂŒhe seinen Reim machen: sowohl weiß er, was geschieht, als auch weiß er, wie das Geschehen erzĂ€hlt wird.“ 223 Aus dieser Beobachtung leitet der Autor fundamentale EinwĂ€nde gegen die zeitgenössi- sche Literaturkritik ab, wobei nicht unterschlagen werden darf, dass Handke diese EinwĂ€nde selbst in einem Sub-Genre der Literaturkritik, der Rundfunk- rezension, artikuliert: 220 Vgl. Kap.  II, Abschnitt „‚Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren  
‘: Handkes Hornissen nach Princeton“, sowie Kap.  IV, Abschnitt „Princeton 1966 und die Folgen“. 221 Peter Handke: „BĂŒcherecke“ vom 21. 12. 1964. In: P. H.: Tage und Werke (Anm.  21), S.  189 – 197, hier S.  189. Dazu und zum Folgenden vgl. auch Lothar Struck: Der Begleitschreiber. Einige Bemerkungen zum Kritiker und Leser Peter Handke. In: L. S.: ErzĂ€hler, Leser, TrĂ€umer. Begleit- schreiben zum Werk von Peter Handke. Mit einem Vorwort v. Klaus Kastberger. [Klipphausen]: Mirabilis 2017, S.  13 – 27, bes. S.  17 – 19. 222 Alexander Honold: Der Erd-ErzĂ€hler. Peter Handkes Prosa der Orte, RĂ€ume und Landschaf- ten. Stuttgart: Metzler 2017, S.  19. Vgl. die Charakterisierung seines Romans Der Hausierer in Peter Handke: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms. In: P. H.: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms (Anm.  61), S.  19 – 28, hier S.  28. 223 Handke: „BĂŒcherecke“ vom 21. 12. 1964 (Anm.  221), S.  189. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 121 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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