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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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sind und es jetzt gerade um die formale Struktur eines StĂŒckes geht. Man setzt nur neue Metaphern an die Stelle der alten und gewinnt dadurch wenigstens eine gewisse Anschaulichkeit fĂŒr die Leser. Aber es fehlt sehr viel an Reflexion ĂŒber Formen.263 Handkes ‚Kritik der Kritik‘ geht hier ein weiteres Mal mit seinen poetologischen Reflexionen Hand in Hand. Sowohl in der Literatur- bzw. Theaterkritik als auch in der zeitgenössischen Literatur nimmt er eine fehlende Aufmerksamkeit fĂŒr sprachlich-formale Fragen wahr, unter der die PrĂ€zision der Beobachtungen, aber auch die Möglichkeit einer produktiven, d. h. „sensibler, empfindlicher, genauer“ 264 machenden Vermittlung von Erfahrungen zu leiden habe: Die begriffliche Eindeutigkeit wird ersetzt durch so sinnlose Wörter wie ‚vergeistigend‘, ‚dicht‘, ‚flach‘, ‚tief‘, ‚geschlossen‘, ‚große Linie‘ (zum Teil aus Ihren eigenen Arbeiten). Diese Art von Kritik, das ist das schlimme, verlĂ€ĂŸt sich immer auf die schon fertige Meinung des jeweils Lesenden von z. B. der großen Linie, ist in der Regel also faul, Ă€ndert nicht die Voraussetzung fĂŒr diese Meinung  [
]. Auf diese Weise sind auch ursprĂŒnglich prĂ€zise Begriffe zu Bildern geworden wie etwa das ‚Modell‘ oder der ‚RealitĂ€tsbezug‘ oder die ‚Sozialstudie‘.265 So wie Handkes „Geschichtskritik“ im Grunde eine „Diskurskritik“ vorstellt,266 indem sie die Konzepte der sprachlichen ReprĂ€sentation von Historie hinter- fragt und mitunter polemisch zur Diskussion stellt, opponieren auch Handkes EinwĂ€nde gegen die Literaturkritik nicht zwangslĂ€ufig gegen das Metier an sich, sondern gegen bestimmte AusprĂ€gungen dieser Kritik, gegen deren „Brachylo- gien“ 267 und Sprachregelungen. In seinen NotizbĂŒchern, die Handke in Auswahl als ‚JournalbĂ€nde‘ publiziert hat, hĂ€lt er in unregelmĂ€ĂŸigen AbstĂ€nden Beobach- tungen ĂŒber das Vokabular der Literaturkritik fest;268 in Interviews, Reden und anderen öffentlichen Statements hat er es wiederholt einer kritischen PrĂŒfung unterzogen  – etwa wenn er 2006 im GesprĂ€ch mit Ulrich Greiner auf „wert- volle“ LektĂŒre der letzten Zeit zu sprechen kommt, um sich sogleich selbst zu korrigieren und im nĂ€chsten Schritt in die Offensive ĂŒberzugehen: „Wertvoll ist ein dummer Ausdruck, ich weiß, aber immer noch besser als das, was ihr 263 Ebd. 264 Handke: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms (Anm.  222), S.  26. 265 Handke: Briefe ĂŒber Theater (1) (Anm.  251), S.  37. 266 So Fabjan Hafner: Peter Handke. Unterwegs ins Neunte Land. Wien: Zsolnay 2008, S.  152. 267 Wendelin Schmidt-Dengler: Literaturwissenschaft und Literaturkritik. In: Literaturkritik. Theorie und Praxis. Hg. v. W. S.-D. u. Nicole Katja Streitler. Innsbruck, Wien: StudienVerlag 1999, S.  11 – 25, hier S.  15. 268 Vgl. etwa Handke: Das Gewicht der Welt (Anm.  53), S.  99: „Aus einer Kritik: ‚Das ist mehr als ein großes StĂŒck Literatur.‘ Was ist mehr als ein großes StĂŒck Literatur?“ Unfreundliche Betrachtungen: EinwĂ€nde gegen die Literaturkritik130 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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