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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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mich interessierte“, um verdeutlichend hinzuzufĂŒgen: „Überhaupt nicht hat’s mich interessiert.“ 6 In der Folge unterstreicht Reich-Ranicki, zeitweilig unterbrochen und wohl auch angefeuert von GelĂ€chter aus dem Publikum, sein Desinteresse an Handkes Text und bezeichnet dessen sprachanalytische Auseinandersetzung mit der ProduktivitĂ€t einer literarischen Gattung als bloßen „Manierismus“, ja als im vorliegenden Fall gescheiterte „Schreibweise“: Es ist natĂŒrlich richtig, was hier gesagt wurde, dass es eine solche Schreibweise gibt. Es gibt sie, nur die Frage ist, ob sie was taugt. Und wenn man sagt, dies sei ein Krimi- nalroman, und das Kriterium ist hier wörtlich gebracht worden, weil man nicht weiß, worum es geht, nun, dann möchte ich behaupten, dass das noch kein ausreichendes Kriterium ist. Man weiß sehr oft bei schlechten Sachen nicht, worum es geht, und es sind deswegen noch keine Kriminalromane. Dieses Prinzip der HauptsĂ€tze wird verteidigt. Ja, natĂŒrlich kann man aus HauptsĂ€tzen, AussagesĂ€tzen, eine ErzĂ€hlung bauen, und kann machen, dass sich aus diesen HauptsĂ€tzen ein einziger großer Poten- tialis ergibt. Er ergibt sich hier meiner Ansicht nach nicht. Ich glaube nicht an diese Schreibweise, wie sie hier vorgefĂŒhrt wurde. Ich glaube, dass das Ganze in einem sehr, sehr primitiven und, trotz allem, was hier gesagt wurde, eigentlich sehr altmodischen Manierismus landet.  [
] Mich hat es gelangweilt.7 6 Audioaufzeichnung Princeton 1966 (Anm.  1), Lesung Handke, Wortmeldung Reich-Ranicki, 37:35 – 37:42. 7 Ebd., 38:05 – 39:05. Vgl. zu den Reaktionen auf Handkes Lesung Helmut Böttiger: Die Gruppe 47. Als die deutsche Literatur Geschichte schrieb. MĂŒnchen: DVA 2012, S.  391 f.; Jörg Magenau: Princeton 66. Die abenteuerliche Reise der Gruppe 47. Stuttgart: Klett-Cotta 2016, S.  142. Zur Wiederkehr dieses Bewertungsmusters vgl. Thomas Anz: Werten und FĂŒhlen. Zur RationalitĂ€t und EmotionalitĂ€t literaturkritischer Kommunikation  – am Beispiel von Marcel Reich- Ranicki. In: Literaturkritik heute. Tendenzen  – Traditionen  – Vermittlung. Hg. v. Heinrich Kaulen u. Christina Gansel. Göttingen: V&R unipress 2015, S.  13 – 25, hier S.  17: „Reich-Ranickis Wirkungs- argumente verwenden, soweit sie sich auf UnlustgefĂŒhle beim Lesen beziehen, mit Vorliebe Wörter wie ‚langweilen‘ oder ‚ermĂŒden‘.“  – Auf eine Anfrage des Residenz Verlags fĂŒr einen Anthologie-Beitrag antwortete Reich-Ranicki 1984 denn auch entsprechend: „Lieber Herr Jung, / Sie möchten gerne wissen, wie die Literatur aussehen sollte, die ich mir fĂŒr die Zukunft wĂŒn- sche. Hier meine Antwort, die hochmĂŒtig klingen mag, indes, Sie können es mir glauben, ganz und gar aufrichtig ist: Ich wĂŒnsche mir eine Literatur, die mich nicht langweilt.“ (Marcel Reich- Ranicki: Erst die Poesie, dann die Theorie. In: Was Kritiker gerne lĂ€sen. Literaturalmanach 1984. Hg. v. Jochen Jung. Salzburg, Wien: Residenz 1984, S.  99 – 101, hier S.  99)  – Vgl. dazu Anton Thuswaldner: Österreichische VerhĂ€ltnisse. In: Deutschsprachige Gegenwartsliteratur. Wider ihre VerĂ€chter. Hg. v. Christian Döring. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1995, S.  108 – 119, hier S.  111: „Wo frĂŒher die mĂŒhsame Suche nach Argumenten Zustimmung oder Ablehnung fĂŒr andere ĂŒberprĂŒfbar machte, zĂ€hlt heute das saloppe und beilĂ€ufig fallengelassene Wort. Noch nie ist eine Floskel vom Typus ‚Das langweilt mich!‘ eine literaturkritische Kategorie gewesen, mittler- weile sind solch subjektive, nicht weiter begrĂŒndeten oder begrĂŒndbaren Phrasen Allgemeingut geworden  [
].“ Princeton 1966 und die Folgen 143 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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