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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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hat sich auch der ErzĂ€hler der Kindergeschichte (1981), des dritten Teils der Langsame-Heimkehr-Tetralogie, polemisch von den „RealitĂ€ts-TĂŒmler[n]“ und „‚Wirklichkeitler[n]‘“ distanziert.178 Die selbstbewusste Formulierung einer neuen Poetik  – Handke kĂŒndigte Unseld die Lehre als „Essay“, aber auch als „Manifest“ an 179  –, die das individuelle ‚Recht zu schreiben‘ zu ergrĂŒnden versucht,180 geht mit der aggressiven Verteidi- gung des eigenen Schreibens gegen den literaturkritischen „Leithund“ Hand in Hand. Bei dessen „großspurige[r] Krakelschrift“, mit der er „sozusagen einen öffentlichen Machtbereich abgesteckt hatte“, handelt es sich bei genauerem Hin- sehen um getrocknete Kothaufen.181 Das Schreiben des anderen wird mit diesem Vergleich aus dem Bereich des FĂ€kalen ostentativ entwĂŒrdigt und delegitimiert. Die Verbindung von poetologischem Entwurf und kĂ€mpferischer Bewahrung dieses Entwurfs gegen ein feindliches Prinzip, wie sie hier zu beobachten ist, ist charakteristisch fĂŒr Handkes mehrstimmige Werkpolitik: „FĂŒr mich war diese ErzĂ€hlung oder Essay zugleich ein Manifest und eine Drehscheibe fĂŒr meine eigene Schreibexistenz.“ 182 In der Lehre der Sainte-Victoire werden textuelle und paratextuelle Funktionen miteinander verschrĂ€nkt, wobei diese Amalgamierung von Text und Paratext einer spezifisch erzĂ€hlerischen Inszenierung folgt. Obschon das Kapitel „Der Sprung des Wolfs“, wie Anne-Kathrin Reulecke herausgearbeitet hat, auch ohne den Bezug zu Marcel Reich-Ranicki eine wich- tige Schaltstelle des Buches markiert, weil es ein „retardierendes Moment in der AnnĂ€herung an CĂ©zannes Kunst“ vorstellt und zudem die Rolle des Bösen in der Natur reflektiert,183 kommt seine poetologische, ja werkpolitische Sprengkraft erst dann vollends zur Geltung, wenn man es als Allegorisierung des Konflikts zwischen Autor und Kritiker in den Blick nimmt  – zumal, wie noch zu zeigen ist, auch der CĂ©zanne-Bezug selbst dieser Lesart zuarbeitet. Handkes Ausweitung 178 Peter Handke: Kindergeschichte. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1981, S.  86 f. 179 Handke an Unseld, 22. 3. 1980. In: Handke/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  60), S.  392. 180 Vgl. Handke: Die Lehre der Sainte-Victoire (Anm.  10), S.  68 – 72. Vgl. Roland Borgards: Sprache als Bild. Handkes Poetologie und das 18.  Jahrhundert. MĂŒnchen: Fink 2003, S.  36 f.; Honold: Der Erd-ErzĂ€hler (Anm.  129), S.  208 f. 181 Handke: Die Lehre der Sainte-Victoire (Anm.  10), S.  59. 182 Funcke/Handke: Wir mĂŒssen fĂŒrchterlich stottern (Anm.  127). 183 Anne-Kathrin Reulecke: Geschriebene Bilder. Zum Kunst- und Mediendiskurs in der Gegen- wartsliteratur. MĂŒnchen: Fink 2002, S.  67: „Der ErzĂ€hler anthropomorphisiert das Tier, indem er dessen Verhalten als kriegerischen Angriff gegen sich persönlich deutet  [
].“ Vgl. zur Funktion des Kapitels in der Architektur der Lehre der Sainte-Victoire ausfĂŒhrlich ebd., S.  67 f.; Huber: Versuch einer Ankunft (Anm.  170), S.  246 – 250; Tanja Angela Kunz: Sehnsucht nach dem Guten. Zum VerhĂ€ltnis von Literatur und Ethik im epischen Werk Peter Handkes. Pader- born: Fink 2017, S.  210 f.; sowie Ulrich von BĂŒlow: Spinoza-LektĂŒren. In: Das stehende Jetzt (Anm.  169), S.  125 – 147, hier S.  142 f., der die Episode mit Handkes Spinoza-Rezeption um 1980 in Beziehung setzt und dafĂŒr stichhaltige Belege in den NotizbĂŒchern des Autors anfĂŒhrt. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 181 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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