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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Bernhard weigerte sich in Berlin nun zwar, gemeinsam mit Reich-Ranicki und dem Kritiker Rudolf Hartung auf der Bühne Platz zu nehmen; er verzichtete aber darauf, in Brinkmanns am Gestus der Surrealisten geschulten Furor gegen den ‚Großkritiker‘ einzustimmen.269 Zeitlebens zeigte Bernhard wenig Interesse, gemeinsam mit anderen als aggressiver Polemiker aufzutreten; ihm war daran gelegen, als alleiniger und selbstermächtigter Provokateur zu agieren. Später wurde Bernhard und Reich-Ranicki, mit Blick auf ihren Hang zur Ago- nalität und zum öffentlichkeitswirksamen Dissens, wiederholt ein gemeinsamer Charakterzug attestiert: „Wie der von ihm so hoch geschätzte Thomas Bernhard im Bereich der Literatur hat sich Reich-Ranicki in der Literaturkritik als Über- treibungskünstler inszeniert.“ 270 Die literaturkritische Praxis Reich-Ranickis zeichne, so der mit ihm befreundete Siegfried Lenz, im Besonderen das Wissen um die „Notwendigkeit zu methodischer Übertreibung“ aus;271 er sei, wie Hugo Dittberner prägnant festgehalten hat, „ein Mann des Superlativs“;272 der Kritiker- kollege Reinhard Baumgart attestierte ihm in seinen autobiographischen Erinne- rungen eine „populistische Lust an provokativer Grellheit und Wirkung“ 273  – ein Liste der Charakterisierungen, die sich beliebig erweitern ließe. und wurde außerdem in einen vom Suhrkamp Verlag herausgegebenen Materialien-Band aufgenommen: M. R.-R.: Konfessionen eines Besessenen. In: Über Thomas Bernhard. Hg. v. Anneliese Botond. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1970, S.  93 – 99; direkt im Anschluss wurde in diesem Band übrigens Handkes Text über Verstörung gedruckt (S.  100 – 106). 269 Vgl. Fellinger: „Ich bin kein Teppichknüpfer“ (Anm.  97), S.  38. 270 Anz: Werten und Fühlen (Anm.  7), S.  20. Vgl. außerdem ders.: Marcel Reich-Ranicki (Anm.  15), S.  15, wonach Reich-Ranicki in der Verwendung von „Stilmittel[n] der überspitzten Formu- lierung und der maßlosen Übertreibung“ „einem anderen Komödianten und Übertreibungs- künstler, den er nicht zufällig außerordentlich schätzt“, gleiche: „Thomas Bernhard“. Vgl. auch ebd., S.  142: „Die polemische Übertreibung  – mit der Absicht zu überzeugen, nicht zu überre- den!  – soll zur Deutlichkeit beitragen und damit Reaktionen provozieren.  […] Die rhetorische Kunst, mit Worten starke Wirkungen zu erzielen, beherrscht Reich-Ranicki wie kein anderer Kritiker der Gegenwart.“ 271 Siegfried Lenz: Der Kritiker bei der Arbeit. In: Literatur und Kritik (Anm.  235), S.  24 – 32, hier S.  32. 272 Hugo Dittberner: Der Mann in der Arena. Über Marcel Reich-Ranicki. In: Text + Kritik (1988), H.  100, S.  10 – 22, hier S.  10. 273 Baumgart: Damals (Anm.  9), S.  196. Eine scharfe Kritik an Reich-Ranickis ‚Populismus‘ findet sich bei Helmut Arntzen: Literaturkritik? Annotierte Zitate aus einem Buch von Marcel Reich- Ranicki. In: Kunstgriffe. Auskünfte zur Reichweite von Literaturtheorie und Literaturkritik. Hg. v. Ulrich Horstmann u. Wolfgang Zach. Frankfurt a. M. u. a.: Lang 1989, S.  27 – 33, hier S.  32: „Es sind durchweg mit Aplomb vorgetragene Platitüden [sic], die weder für den Autor noch für den Leser etwas erbringen können.  […] So wie Reich-Ranicki Gemeinplätze reiht und Behauptun- gen als Urteile ausgibt, genauso verfährt ein erheblicher Teil der Leser mit der Literatur. Auch ihr Urteil ist häufig eines aus konventionellen Floskeln und willkürlichen Behauptungen.  […] Reich-Ranickis Kritik ist das, was man so meint. Sie ist das Urteil des Durchschnitts.“ „Mein Feind in Deutschland“: Peter Handke vs. Marcel Reich-Ranicki198 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. Einsprüche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wären nicht so viele böse Worte zu verlieren …“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, Verbündete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche Schwätzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der Bühne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der Dürre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres Geschäft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚Natürlichkeit‘ 150
    3. Die „ästhetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses Unglück) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshändige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. Schnüffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der Lektüre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut Färber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke über/mit Ödön von Horváth 259
    7. Keine Axt für das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, Kofferträger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekärer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. Primärliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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