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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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[M]ein Feind in Deutschland, inzwischen der umschmeichelte Vornamensfreund meines ehemaligen Verlegers (aber auch zuvor schon, sooft ich bei diesem eintrat, war mein Stuhl noch von dem anderen stinkheiß gewesen), warf mir, als ich ihm, der ĂŒberall war und nirgends, dann einmal ĂŒber den Weg, nein, er war ohne Weg, lief, in seinem Vorbeiteufeln, mit dem GeĂ€ug eines wahnsinnigen, zu seinem Leidwesen von seinem Wutobjekt durch einen Zaun abgehaltenen Hundes, hin: ‚Na, Herr Pelegrin- Keuschnig, wie gehen die GeschĂ€fte?‘ (Wieder einmal war er der Schlaue, nur wußte er nicht, daß auch Keuschnig ein angenommener Name war. Und wie immer verlor er, der sonst bewĂ€hrte SchnĂŒffler und Reißer, die FĂ€hrte bei den Sachen, die zĂ€hlen, indem diese nĂ€mlich beinahe duftlos sind.)312 Im GesprĂ€ch mit AndrĂ© MĂŒller hat Handke diesen Satz 2007, befragt nach Kon- takten mit dem Kritiker, ausdrĂŒcklich Reich-Ranicki zugeschrieben: „Ich bin ihm einmal auf der Frankfurter Buchmesse, als ich zum letzten Mal dort war, begeg- net. Da ging er an mir vorbei und sagte: ‚Herr Handke, wie gehen die GeschĂ€fte?‘ Seither frage ich das auch alle, die mir begegnen.“ 313 Im Abstand einiger Jahre hat Handke Mein Jahr in der Niemandsbucht als sein Pendant zu Adalbert Stifters Nachsommer bezeichnet, wĂ€hrend der 2002 erschie- nene Band Der Bildverlust nach Aussage des Autors seine Entsprechung in Stifters sperrigem Alterswerk Witiko habe.314 An der Kontrolle der Affekte, der BezĂ€hmung emotionaler Gewalten, die in Stifters Texten  – allen diesem Ideal inhĂ€renten BrĂŒ- chen und GefĂ€hrdungen zum Trotz  – vorgefĂŒhrt wird, scheitert Handkes Autor- Protagonist jedoch: Die „Phantasien der Versöhnung“ 315 werden ein ums andere Mal von der „Bereitschaft zur Entzweiung“ 316 unterlaufen; Zorn und Wut ĂŒber ihr literarisches Erscheinen soll die Kolporteure beschĂ€ftigen“; J. B.: Ein Zank. Schriftsteller gegen Kritiker. In: SĂŒddeutsche Zeitung, 23. 12. 1994: „Handke hat in seinem Roman Mein Jahr in der Niemandsbucht Passagen eingestreut, in denen ein namenloser, aber nur zu allzu [sic] gut erkennbarer Literaturkritiker auf das derbste verunglimpft wird.“ 312 Handke: Mein Jahr in der Niemandsbucht (Anm.  29), S.  422. 313 MĂŒller/Handke: „Ein Idiot im griechischen Sinne“ (Anm.  28), S.  56. Vgl. dazu die Beobach- tung von Graf: Peter Handke und seine Kritiker (Anm.  72), S.  90, Handke sei „jahrelang mit wirtschaftsnahem Vokabular unterstellt“ worden, „mit seinem Schreiben vor allem Verkaufs- erfolge anzustreben“. 314 Vgl. Thomas Steinfeld: Ich erzĂ€hle von einem Leben, das ĂŒber mich hinausgeht. [GesprĂ€ch mit Peter Handke.] In: SĂŒddeutsche Zeitung, 30. 1. 2002; Handke/Hamm: Es leben die Illu- sionen (Anm.  247), S.  74.  – Zu Handkes Stifter-Rezeption vgl. Sabine Schneider: Adalbert Stifter, die Literatur des 20.  Jahrhunderts und die methodischen Paradigmenwechsel der Literaturwissen schaft. In: Die Literatur der Literaturtheorie. Hg. v. Boris PreviĆĄić. Bern u. a.: Lang 2010, S.  187 – 199, sowie zuletzt Maria Luisa Roli: „Varianten der Wiederholung“. Peter Handkes Stifter-Rezeption. In: Die tĂ€gliche Schrift (Anm.  103), S.  133 – 152. 315 Handke: Mein Jahr in der Niemandsbucht (Anm.  29), S.  168. 316 Ebd., S.  164. „Mein Feind in Deutschland“: Peter Handke vs. Marcel Reich-Ranicki208 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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