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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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zu perpetuieren). Handkes Rezensionen sind, mehr oder weniger explizit, als Anregungen zu verstehen, die eigene Wahrnehmung zu sensibilisieren  – ganz im Sinne jenes emphatisch vorgetragenen Anspruchs, den er 1967 fĂŒr seine eigenen literarischen Texte formuliert hatte: „sensibler, empfindlicher, genauer zu machen und zu werden“, so heißt es in Ich bin ein Bewohner des Elfenbein- turms, „damit ich und andere auch genauer und sensibler existieren können, damit ich mich mit anderen besser verstĂ€ndigen und mit ihnen besser umge- hen kann“.157 Auch hier ist die Anregung zum Austausch, zur VerstĂ€ndigung von zentraler Bedeutung. Ganz in diesem Sinne fordert Handke am Ende seiner Besprechung von Wolfgang Bauers TheaterstĂŒck Magic Afternoon, in dem ein analoger Vorgang auf der BĂŒhne stattfindet,158 die Leserinnen und Leser dazu auf, sich „von den Rol- ling Stones Their Satanic Majesties Request“ anzuhören, „Seite 1, jetzt gleich, die erste Nummer, ‚Sing this all together‘“. „Haben Sie die Platte aufgelegt?“, wendet er sich direkt an die Rezipienten: „So, und jetzt warten Sie auf den Übergang zur zweiten Nummer, ‚citadel‘  
 / Haben Sie das gehört?“ 159 Hatte Handke in den „Regeln fĂŒr die Schauspieler“, die der Publikumsbeschimpfung (1966) vorangestellt sind, diesen aufgetragen, einen Song der Rolling Stones sowie die „Hitparade von Radio Luxemburg“ anzuhören und im „ersten Beatles-Film“ auf „Ringo Starrs LĂ€cheln“ zu achten, „in dem Augenblick, da er, nachdem er von den andern gehĂ€nselt worden ist, sich an das Schlagzeug setzt und zu trommeln beginnt“,160 richtet er hier einen Appell an die Leser seiner Theaterkritik: Indem er sie zum Musikhören wĂ€hrend der LektĂŒre ‚anstiftet‘ und dabei auch gleich einen „Tip fĂŒr eine angemessene Rezeptionshaltung“ liefert,161 versucht Handke, das Erleb- nis, das Bauers StĂŒck dem Betrachter ermöglicht, fĂŒr andere nachvollziehbar zu machen  – habe er doch, so Handke, schon seit langer Zeit keinen „theatralischen Vorgang von Ă€hnlicher Schönheit gesehen“:162 157 Handke: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms (Anm.  9), S.  26. 158 Vgl. dazu Handkes Brief an Kolleritsch, 20. 12. 1968. In: Handke/Kolleritsch: Schönheit ist die erste BĂŒrgerpflicht (Anm.  95), S.  23.  – Handkes Text erschien zunĂ€chst unter dem Titel Wenn Nerven schwanken in der MĂŒnchner Abendzeitung vom 30.11./1. 12. 1968. 159 Peter Handke: Zu Wolfgang Bauer, Magic Afternoon. [1968] In: P. H.: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms (Anm.  6), S.  195 – 198, hier S.  198. 160 Peter Handke: Publikumsbeschimpfung und andere SprechstĂŒcke. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1966, S.  9; vgl. dazu Hanna Klessinger: Postdramatik. Transformationen des epischen Theaters bei Peter Handke, Heiner MĂŒller, Elfriede Jelinek und Rainald Goetz. Berlin, Boston: de Gruyter 2015, S.  148 f., die die „Regeln fĂŒr die Schauspieler“ mit der „in den 60er Jahren diskutierte[n] Camp-Ästhetik“ in Verbindung gebracht hat. Zudem sind Handkes Regeln fĂŒr die Schauspieler aber auch als ironische Reverenz an Goethes kanonische Regeln fĂŒr Schauspieler zu verstehen. 161 Lorenz: Pro domo (Anm.  7), S.  409; vgl. dazu auch Pichler: Die Beschreibung des GlĂŒcks (Anm.  3), S.  51 f. 162 Handke: Zu Wolfgang Bauer, Magic Afternoon (Anm.  159), S.  197 f. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 253 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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