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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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der Terrasse sitzt: ‚Der Mond ging auf. BesĂ€nftigung zog in sein Herz.‘“ 182 Sei Jonkes Geometrischer Heimatroman auch weder ein „sehr gutes Buch“ noch ein „wertvolles Buch, mit dem Zeitungen um Abonnenten werben“ (womit Handke nicht zuletzt gegen den Jargon der Literaturkritik Stellung bezieht), liege seine QualitĂ€t gerade darin, dass man „so viele Erfahrungen damit machen“ könne, „daß man Lust hat, die Erfahrungen zu beschreiben“.183 Wie nebenher benennt Handke hier einen zentralen Antrieb seines litera- turkritischen Schreibens, nimmt aber ĂŒberraschenderweise nicht darauf Bezug, dass Jonke selbst in seinem Roman eine Parodie der Kunstkritik vorgelegt hat: Im ersten „Intermezzo“ des Geometrischen Heimatromans, das mit „VorfĂŒhrung des KĂŒnstlers“ ĂŒberschrieben ist,184 prĂ€sentiert der Autor zunĂ€chst erzĂ€hlerische Varianten ĂŒber den tragischen Unfall eines Artisten, der bei der AusfĂŒhrung seines KunststĂŒcks zu Tode gekommen ist, um nach diversen (auch typogra- phisch experimentellen) AnlĂ€ufen zur Vermittlung des Geschehens mit dem Hinweis zu schließen, es sei „am besten“, „wenn wir uns an den objektiven und wahrheitsgetreuen Bericht der Presse halten“.185 Der nun folgende „Bericht auf der Kulturseite einer Zeitung  / geschrieben vom Kunstkritiker, 182 Handke: In SĂ€tzen steckt Obrigkeit (Anm.  106), S.  188. In der Übersetzung von JĂŒrgen Rehbein lautet die Passage bei Flaubert: „Der Mond ging auf; ein GefĂŒhl der Ruhe senkte sich in sein Herz.“ (Gustave Flaubert: Herodias. In: G. F.: Drei ErzĂ€hlungen. Übers. u. hg. v. JĂŒrgen Rehbein. Stuttgart: Reclam 1994, S.  91 – 133, hier S.  117) Vgl. auch die folgenden Spuren des Flaubert-Zitats in Handkes Werken: „Wenn nach dem Tanzen die Bewegungen abbrechen und nur noch GerĂ€u- sche und Weggehen sich ereignen: ‚BesĂ€nftigung zog in sein Herz‘“ (Handke: Das Gewicht der Welt [Anm.  72], S.  13); „Am noch taghellen Himmel ging der Mond auf. Ich konnte mir darauf das ‚Meer des Schweigens‘ vorstellen, und Flauberts ‚BesĂ€nftigung‘ zog in mein Herz“ (Peter Handke: Die Lehre der Sainte-Victoire. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1980, S.  62); „Ja, er war zurĂŒckgeschreckt, und fast zugleich, wie im Gegenzug, entfaltete sich in ihm etwas, das mehr war als er und ihn ĂŒberstieg, allein schon in der Bewegungsart seinem Wegzucken widerspre- chend, eine so namen- und grenzenlose wie riesenhafte Beseligung, wozu er in der Nacht auf dem Boot ein Satzpaar Gustave Flauberts abwandelte  – statt ‚Der Mond ging auf  / BesĂ€nftigung zog in sein Herz‘: ‚Sie wĂ€hlte mich  / Beseligung zog in sein Herz.‘“ (Peter Handke: Die morawi- sche Nacht. ErzĂ€hlung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2008, S.  139); „Die Augen meines GegenĂŒbers wurden Farbe. BesĂ€nftigung zog in mein Herz (noch einmal fĂŒr Flaubert)“ (Handke: Vor der Baumschattenwand nachts [Anm.  176], S.  225).  – Auf die Geschichte dieses Zitats in Handkes Werk verweist bereits Clemens Özelt: Durch die Lupe? Peter Handkes Kurzprosa (Noch ein- mal fĂŒr Thukydides, BegrĂŒĂŸung des Aufsichtsrats). In: Schreiben als Weltentdeckung (Anm.  29), S.  73 – 95, hier S.  86 f. u.  90.  – Zu „auto-intertextuellen Referenzen“ im Werk des Schriftstellers vgl. jetzt auch Oliver Kohns: Werkimmanente IntertextualitĂ€t bei Peter Handke. Selbstzitat, -fortschreibung, -kommentar und -parodie. In: Die tĂ€gliche Schrift (Anm.  168), S.  231 – 242, Zit. S.  241. 183 Handke: In SĂ€tzen steckt Obrigkeit (Anm.  106), S.  186. 184 G. F. Jonke: Geometrischer Heimatroman. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1969, S.  21. 185 Ebd., S.  29. Peter Handkes Gegenmodelle zur zeitgenössischen Literaturkritik258 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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