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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Mir wird dann immer vorgeworfen  
 Wenn man das liest, diese kritikĂ€hnlichen Erfahrungen oder diese kritischen Bemerkungen  – Kritiken kann man das ja nicht nennen  –, wird mir vorgeworfen, ich schriebe ja selber und ich könnte das also nur subjektiv sehen oder ich könnte das nur von meiner Art des Machens sehen, und ich finde das eigentlich einen schĂ€ndlichen Vorwurf. Warum soll ich, weil ich schreibe, weniger sehen oder beschrĂ€nkter sein in meinem Sehen? Ich will eigentlich nur, wenn ich ĂŒber Theater oder ĂŒber Film schreibe, meine Erfahrungen mitteilen und sehen, ob die anderen Leute auch solche Ă€hnlichen Erfahrungen machen können. Ich glaub’, man muss da mit dieser Arbeitsteilung zwischen Theorie und Praxis vielleicht ver- suchen aufzuhören.235 Handke, der  – wie bereits zitiert  – die „Rolle“ des „Kritikers“, „eines Kom- mentators, eines Wohl- und Übelmeinenden“,236 stets als eine fĂŒr ihn „fremde“ wahrnahm, ja sich ostentativ gegen diese Bezeichnung verwahrte und mit dem souverĂ€nen „Kritikspiel“ 237 der professionellen Rezensenten lediglich kokettierte, wendet den „schĂ€ndlichen Vorwurf“ der ‚SubjektivitĂ€t‘ des Autor-Kritikers hier in eine positive Bestimmung der eigenen Praxis  – komme es doch, so Handke, nicht auf eine distanzierte Analyse, sondern auf die Mitteilung Ă€sthetischer „Erfahrungen“ an. Der Forderung nach einer feinsĂ€uberlichen „Gewaltenteilung zwischen poetologischer Normsetzung, dichterischer KunstĂŒbung und kritischer Ver- mittlung“,238 nach einer „zunftmĂ€ĂŸigen Trennung zwischen literarischer Kritik und literarischer Produktion“,239 konnte er jedenfalls wenig abgewinnen, son- dern er verstand das Schreiben ĂŒber die Texte literarischer Zeitgenossen stets als integralen Teil seiner schriftstellerischen Existenz. Was er Mitte der 1980er Jahre im GesprĂ€ch mit Herbert Gamper fĂŒr den Bereich des Sports konstatiert hat, dass nĂ€mlich „die Fußballer  [
] viel schöner erzĂ€hlen ĂŒber ihr Spiel als die meisten Reporter das je können“, hat er in Ă€hnlicher Weise fĂŒr die Schriftstelle- rinnen und KĂŒnstler festgehalten. Allerdings sei, wie Handke Gamper gegen- ĂŒber kritisch geĂ€ußert hat, zu beobachten, dass sich nicht nur die „KĂŒnstler zunehmend so wie die Journalisten“ ausdrĂŒckten, „die drĂŒber ihren Diskurs veranstalten“, sondern auch „die Fußballer“ mehr und mehr „wie die Reporter ĂŒber ihr Spiel“ redeten.240 235 Peter Handke im GesprĂ€ch mit Friedrich Luft (Anm.  20), 28:32 – 29:19. 236 Handke: Vorbemerkung (Anm.  39), S.  8. 237 Handke: Gurken und Kiefern, Äpfel und Schnee (Anm.  83), S.  274. 238 Lorenz: Pro domo (Anm.  7), S.  399. 239 Reinhard Baumgart: Damals. Ein Leben in Deutschland. 1929 – 2003. [MĂŒnchen]: Hanser 2003, S.  195. 240 Handke: Aber ich lebe nur von den ZwischenrĂ€umen (Anm.  120), S.  258. Peter Handkes Gegenmodelle zur zeitgenössischen Literaturkritik268 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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